Rote Post #14

Posted: März 1st, 2019 | Author: | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #14


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BERLIN

Gedemütigt und erfroren auf der Straße

Jeder weiß, dass es in Deutschland Obdachlose gibt und so kommt man besonders in Berlin mit dem Thema sehr oft in Kontakt, beispielsweise in nahezu jedem Bahnhof. Doch wie kann das in einem ach so reichen und „sozialen“ Land wie der BRD sein, während tausende Häuser leer stehen? Während die BRD das fünfte Mal in Folge einen „Rekordüberschuss“ in der Staatskasse hat? Dass das kein Zufall, sondern erwartete Folge des Imperialismus ist, zeigt nicht zuletzt der Umgang mit Obdachlosen. So werden die „Tourismusgebiete“ immer wieder gewaltsam geräumt, mit der Begründung, dass das Übernachten und Zelten im öffentlichen Raum illegal ist. Obdachlose werden regelmäßig kriminalisiert. Gegen die Ursachen, die Menschen auf die Straße treiben, wird nichts unternommen. Selbst das bisschen Hilfe, welche die Obdachlosen erhalten reicht oft nicht um auch nur ihr Überleben zu sichern und wird doch weiterhin abgebaut. Auch das Schließen der sogenannten Kältebahnhöfe zeigt das.

Nachdem die BVG plante sämtliche Bahnhöfe nachts zu schließen wurde dies auf Grund von öffentlichen Protesten an den Bahnhöfen Lichtenberg und Moritzplatz nicht durchgeführt. Diese blieben auch über den Winter offen und wurden jede Nacht zum Schlafplatz von mehreren Obdachlosen. Dass das nicht einmal als Notfalllösung auch nur ansatzweise reicht, ist unter anderem an den Kältetoten im Bahnhof Moritzplatz zu sehen. Statt daraus die Konsequenz zu ziehen, dass die Obdachlosen mehr Schutz brauchen hat die BVG nun beschlossen den Kältebahnhof Moritzplatz zu schließen und den Bahnhof Lichtenberg schon tagsüber zu räumen. Sich tags in einer der überfüllten Notunterkünfte aufzuhalten, ist auch keine Option. Denn diese sind dann geschlossen und die Obdachlosen auf sich allein gestellt. Gern gesehen oder auch nur in den Vierteln akzeptiert werden sie dann auch nicht. Sie werden kriminalisiert und von Bullen schikaniert. Eine Methode der Kriminalisierung ist beispielsweise das Verbot von Flaschensammeln. Das ist oft eine der wenigen Optionen, die Obdachlose haben um zumindest ein bisschen Geld zu verdienen, ohne einen Job zu finden, was ohne gemeldeten Wohnsitz extrem schwer bis unmöglich ist. Dass Flaschensammeln aus Mülleimern wird beispielsweise als Diebstahl gewertet, da der Mülleimerinhalt der Entsorgungsfirma gehört. Im Imperialismus wird also sogar das Eigentum am Müll gegen das Volk durchgesetzt. Müll ist in der BRD, ganz ordnungsgemäß, nur dazu da um entsorgt zu werden!

Um den Umgang mit den Obdachlosen weiter zu verbildlichen sei das Video von Januar 2019, einer Räumung eines Obdachlosencamps in Mitte erwähnt, welches bereits einige Aufmerksamkeit erhalten hat. Zu sehen ist unter anderem wie das gesamte Camp ohne Rücksicht auf die Privatsachen der Obdachlosen mit einem Bagger in einen Container geworfen und entsorgt wird. Es ist exemplarisch für die Kriminalisierung von Obdachlosen. Der Bezirk spricht von der „Entfernung von 8 Kubikmetern Unrat“, dass dieser „Unrat“ in vielen Fällen das einzige verbleibende Eigentum der Obdachlosen war, interessiert sie dabei nicht. Wenn die Obdachlosen dagegen protestieren und sich zur Wehr setzen wollen werden sie festgenommen und misshandelt. So zeigt das Video auch wie 7 Polizisten eine obdachlose Frau verhaften und ihr dabei einen Sack über den Kopf ziehen, was sie im Nachhinein mit „hygienischen Gründen“ erklären, um die Demütigung und ihre Entblößung als Schweine zu vervollständigen. Auch die grüne Partei gibt sich in ihrer Stellungnahme mehr als zynisch und spricht zum Beispiel davon, dass es unklar sei „ob bei der Räumung noch nutzbares Eigentum der in Gewahrsam genommenen Frau vernichtet wurde“, da insgesamt „auch aus hygienischen Gründen […] kein zu sicherndes Eigentum“ vor Ort war.

Obdachlosigkeit ist natürlich nicht ausschließlich Berliner Phänomen, aber es gibt doch eine auffällige Häufung von Obdachlosen in Berlin. So wird die Gesamtzahl der Obdachlosen in Deutschland aktuell auf 52.000 geschätzt, fast ein Fünftel davon hält sich in Berlin auf. Die Zahl der Obdachlosen ist seit 2014 um ca. 30% gestiegen. Zu den Obdachlosen kommen noch die Wohnungslosen hinzu, insgesamt sind das 860.000 (Stand 2016) und die Zahl steigt in den letzten 10 Jahren konsequent und wird dies laut Prognosen auch weiter tun. Dass wir von Schätzungen sprechen liegt daran, dass es keine offizielle Statistik zu der Zahl der Obdach- und Wohnungslosen gibt. Sie versuchen das damit zu begründen, dass eine solche Erhebung „zu schwierig und kostenaufwändig“ sei. Eine absurde Ausrede, denn der wahre Grund ist offensichtlich: Die Herrschenden wollen natürlich nicht, dass man es ganz klar vor Augen hat, dass es auch in Deutschland extreme Formen von Armut gibt. Sie versuchen es immer zu verstecken, zu verschleiern, sie versuchen es so darzustellen als wären einzelne Personen selbst daran Schuld und
nicht, dass der Imperialismus Obdachlose produziert.

Der Imperialismus verbreitet Leid überall da, wo er seine Machenschaften verbreitet. Ein Teil davon ist eben auch Obdachlosigkeit: Menschen verschulden sich, flüchten sich in Drogen, fliehen vor einem gewalttätigen Ex-Partner aus der Wohnung, oder ähnliches passiert, und schon landen sie auf der Straße. Ist man so einmal in die Obdachlosigkeit geraten, dann kommt man im Normalfall nur sehr schwer wieder raus. Es gibt viele Gründe, die einen daran hindern. Meistens hat man keinen Job mehr und man findet keinen neuen weil man keine Wohnung hat. Oft hat man dann inzwischen auch noch einen negativen SCHUFA-Score, der es in Berlin fast unmöglich macht eine Wohnung selbst zu mieten. Der Wohnungsmarkt in Berlin lässt es oft auch einfach generell schon nicht zu, dass man eine bezahlbare Wohnung so einfach findet. Sogar angebliche Sozialbauten, an denen es sowieso mangelt, für die man sogar schon einen Wohnberechtigungsschein braucht sind kaum bezahlbar.

Hier können wir nun auch erkennen, warum Häuser leer stehen während Menschen auf der Straße erfrieren. Viele dieser Häuser sind hauptsächlich oder ausschließlich Spekulationsobjekte, also leerstehende Häuser, die sich quasi niemand mehr leisten kann, aber deren vermeintlicher Wert immer weiter steigt. Für die Bourgeoisie lohnt es sich mehr Menschen beim Sterben zu zusehen als ihnen eine Wohnung zu geben. Für sie wird ihr Klasseninteresse, ihr Profit, immer mehr wert sein als die Interessen und das Leben des Volkes.

So ist auch klar, dass das Problem der Obdachlosigkeit sich nicht im Imperialismus lösen lassen wird. Solange es dieses verrottende Ausbeutersystem gibt, das überall auf der Welt Unterdrückung und Leid verbreitet werden wir die Wurzel des Problems nicht anpacken und ausreißen können. Obdachlosigkeit verdeutlicht ein weiteres Mal, dass auch in einem imperialistischen Land wie Deutschland der Klassenkampf immer mehr ein Kampf um Leben und Tod wird.


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