Rote Post #57

Posted: Dezember 1st, 2022 | Author: | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #57

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Bremen

Ausländische Handwerker ohne Rechte

Früh am Morgen hört man bereits die Sägen, Hämmer und Maschinen hinter den Toren und Zäunen, vor denen auf einem Schild in großer Schrift steht: „WIR BAUEN FÜR SIE“. Jeder, der hier einmal gearbeitet hat, weiß, wie es läuft: Da wo öffentliche Gelder in den Himmel geschossen werden, Architekten aufgrund von Ahnungslosigkeit in jeder konkreten baulichen Frage die Planung dreifach vermasseln und die Arbeiten so immer wieder hinausgezögert werden und sogar fertige Installationen und Montagen wieder rückgängig gemacht werden müssen, genauso wie Bauleiter, die im letzten Moment entscheiden, dass sie dies und das nach ihrem Geschmack doch lieber so rum haben wollen, wo unterschiedlichste Planer herangezogen werden, aber niemand einen einheitlichen Plan hat – da sind die Baustellen der Stadt Bremen. Eine Menge an Unternehmen verdient an den Arbeiten, die für Gebäude in öffentlicher Hand gemacht werden. Und da so viele Arbeiten doppelt und dreifach gemacht werden, sacken sie auch umso mehr von den Steuergeldern, die die Arbeiterklasse Monat für Monat einzahlt, ein.

Eine der größten Firmen, die aus Bremen kommen, mit weltweit ca. 30.000 Mitarbeitern, ist der Industriedienstleister KAEFER. Die sind unter anderem mit dem Innenausbau von öffentlichen Gebäuden beauftragt. Dafür holen sie sich auch „Unterstützung“, die nicht offiziell aus ihren eigenen Reihen kommt. Die Rede ist von „Hilfsarbeitern“, die fast immer Migranten sind, bzw. oft direkt aus der dritten Welt nur für den Job auf bestimmte Dauer nach Deutschland gekommen sind. Solch ein Arbeiter ist auch der Trockenbauer Vasilios aus Griechenland, der seine Heimat verlassen hat, um der Armut dort zu entkommen und in Deutschland etwas Geld zu machen, um seiner Familie daheim eine etwas bessere Situation zu ermöglichen, und um dann in ein paar Jahren zurückkehren zu können und sich dann keine Gedanken um Armut machen zu müssen. In vielen unterdrückten Ländern ist es ein weit verbreiteter Wunsch, nach Deutschland zu kommen und hier, in einem Ausbeuterstaat, ein Leben ohne die Probleme, die in der dritten Welt existieren, führen zu können. Vor Ort werden die meisten von ihnen kalt überrascht, denn der deutsche Imperialismus will sie hier genauso ausbeuten, wie er es in der dritten Welt getan hat. Nur dass die Leute ihm hier, in seinem eigenen Land, viel nützlicher sind. Auch Vasilios hat sich das Leben in Deutschland überhaupt nicht so ausgemalt. Er sagt: Ich bin seit einem Jahr in Deutschland – ich hätte mir nie vorstellen können, dass es so schlimm ist.“

Es ist Gang und Gäbe, dass hier auf den Baustellen Leute aus der dritten Welt zu schlechteren Konditionen arbeiten. Auf dem Bau zu knüppeln, wird in Deutschland von Jahr zu Jahr unbeliebter – für die, die es ihr Leben lang durchziehen, unangenehmer – und verliert an Reiz, weil andere Jobs, für die man sich nicht so kaputtmacht, besser bezahlt werden. So „entsteht“ das, was sie „Fachkräftemangel“ nennenwas ein gewolltes Problem ist. Die „Fachkräfte“, an denen es mangelt, werden nämlich aus den unterdrückten Nationen als billigere Hilfskräfte, die gleichwertige Arbeit machen, „importiert“. Wenn es nach den deutschen Imperialisten geht, sollen es knapp eine halbe Million zugewanderte „Fachkräfte“ im Jahr sein, die die Wirtschaft am Laufen halten. Die Bonzen können sie viel schlechter behandeln – weniger Lohn, weniger Rechte, mehr Knechten – als Leute von hier, weil sie, aus der dritten Welt kommend, fast wehrlos gegen die Ausbeuter und ihren Staat sind. Im Zentrum steht oft die Sprache – wer kein Deutsch kann, kann die Hürden der Bürokratie nicht überwinden; wird an der Nase rumgeführt und erhält nicht den Gesellenbrief oder den Titel einer Fachkraft, obwohl alle Kenntnisse und Fähigkeiten vorhanden sind. Im gesamten Handwerk, eigentlich in fast allen Berufsfeldern, hat sich diese Masche etabliert.

Vasilios arbeitet für eine Art albanisches Subunternehmen, das von KAEFER beauftragt wird. Ob es einen Namen hat, weiß Vasilios nicht, das interessiert ihn auch nicht. Aber das ist eher unwahrscheinlich, denn eigentlich handelt es sich nur um eine Gruppe von Leuten, die KAEFER herumdiktiert und auf undurchsichtige Weise entlohnt. Hier gelten auf jeden Fall andere Regeln als es eigentlich Vorschrift ist. Ganz im Interesse von KAEFER. Wenn du hier nicht leistest, was sie von dir erwarten, dann kriegst du auch nichts. Vasilios hat sich nach dem ersten beschissenen Jahr in Deutschland im Spätsommer einen kurzen Urlaub in der Heimat auf einer griechischen Insel eingeplant, wo er seine Familie endlich wieder sehen kann. Im Mittelmeer schwimmen, mit den Kindern spielen, der Sonne zusehen, wie sie abends rot im Horizont versinkt. Der Flug war schon gebucht, aber KAEFER hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es wurde gesagt, die Deckenkonstruktionen und Wandprofile auf den und den Etagen müssen bis Ende der Woche fertig sein. Trotz dauerhafter Schufterei und vielen Überstunden war der Zustand am Ende nicht so, wie die Vorarbeiter ihn gerne gehabt hätten. Der Urlaub wurde gestrichen. Von irgendwelchen Leuten, die am Schreibtisch sitzen und sich jederzeit einen Urlaub nehmen können oder einfach Krank machen können, wenn sie wollen.

Also geht der Alltag in Deutschland weiter. Jeden Tag morgens 1 ½ Stunden von seinem Zuhause in einem Vorort von Bremen zur Berufsschule in Bremen-Nord, wo gerade saniert wird und seine Baustelle ist. Auf dem Weg mehrfach umsteigen; am späten Nachmittag dann das gleiche zurück, wo er sich durch die überfüllten Fahrzeuge der BSAG kämpfen muss. Zuhause duschen, etwas essen, und dann ist der Tag quasi auch schon gelaufen und es geht von vorne los. Der Staat als Träger der Berufsschule profitiert direkt von dieser Schweinerei, wie Leute aus der dritten Welt wie Vasilios in Deutschland ausgebeutet werden. „Ich hab gehört, das lernt man hier in einer Ausbildung, man besucht eine Schule dafür?“, fragt Vasilios über den Beruf des Trockenbauers in Deutschland. In Griechenland hast du so etwas nicht. Da lernst du das einfach direkt auf der Baustelle.“ Er weiß sehr wohl um die Verhältnisse von Deutschland und Griechenland. Was hinter Deutschlands so großzügigen „Hilfen“ für den verschuldeten Staat steckt. Wie die deutschen Imperialisten in und nach der „Finanzkrise“ Griechenland ausgeraubt haben, bis zum Bankrott. „Seit 2007 geht hier alles bergab“, sagt er. „Deutschland hat uns kaputt gemacht. Große Kämpfe gibt es, Aufstände. Viele Leute haben überhaupt nichts.“ Trotzdem hat er die Hoffnung nicht aufgegeben, in diesem System noch irgendwie einen angenehmen Platz zu finden. Er möchte in Deutschland irgendwann eine Firma gründen, und wenn die läuft, mit dem Gewinn wieder zurück in die Heimat. Wie das gehen soll, weiß er nicht. Es ist eine Illusion, eine falsche Hoffnung in dieses System. Anstatt selber zum Ausbeuter werden und die eigenen Klassenbrüder und -schwestern ausplündern zu wollen, müssen die Arbeiter ihr ganzes Vertrauen ihrer gemeinsamen Organisation, gegen die Herrschaft der Ausbeuter und für ein gerechtes System, geben.

Die albanischen Kollegen sind seit etwa fünf Jahren in Deutschland. Arbeitserlaubnis, aber niemand mit deutschem Pass – ein Dauerzustand. KAEFER freut sich. Und Deutschlands Arbeitsminister – der Ganove Hubertus Heil – reibt sich die Hände. Genau so soll es mit dem Import von „Fachkräften“ oder „Hilfskräften“ laufen. Vasilios ist manchmal etwas genervt von den Albanern. Das sind kleine Eigenheiten, die sie, obwohl sie ihr Leid dauernd miteinander teilen, auseinander bringen. Und dann sind da noch die deutschen Handwerker, die meist ausgebildete Gesellen sind und besser behandelt werden. Die ausländischen Hilfskräfte arbeiten meist viel mehr und härter als sie. Am Ende hat jeder irgendwie etwas an dem andern auszusetzen – Deutsche, Griechen, Albaner, Türken, Rumänen, und, und, und. Die Arbeiterklasse, die einzige internationale Klasse in der Geschichte der Menschheit, wird im Interesse der Ausbeuter wieder nach dem Kriterium gespalten, aus welchem Land man kommt. Das ist eine Hürde, die verhindert, dass sich die Ausgebeuteten gemeinsam organisieren und ihren Unterdrückern schwere Schläge versetzen. Es muss also weiter hochgehalten werden: „Lasst euch nicht spalten! Kämpft und wehrt euch!“ Innerhalb dieses Kampfes müssen die aus der dritten Welt „importierten“ Arbeiter die Forderung erheben, fiir die gleiche Arbeit endlich gleich behandelt zu werden und den gleichen Lohn zu bekommen wie ihre Kollegen.


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