Rote Post #24

Posted: Januar 31st, 2020 | Author: | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #24

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Frauen

KINDERGARTENPLÄTZE? NICHT FÜR ARME!

In dieser Ausgabe der RoPo veröffentlichen wir einen Artikel, der uns von den Genossinnen des Roten Frauenkomitees Bremen zugesandt wurde. Wir freuen uns über den erneuten Beitrag der Genossinnen und hoffen, dass wir in Zukunft auch von anderen Artikel über lokale Probleme der Frauenbewegung bekommen.

Das Patriarchat und der Imperialismus bringen unzählige Probleme für uns Frauen mit. Das ist alles andere als ein Geheimnis. Doch mancherorts sind einige Probleme noch drastischer als anderswo. Eines dieser Probleme ist hier in den Arbeitervierteln Bremens der große Mangel an Kitaplätzen. Allein in Bremen fehlen 1066 Plätze für Kinder in den Kitas. Das heißt ganz einfach: 1066 Kinder können nicht in den Kindergarten gehen, obwohl sie eigentlich ein Anrecht darauf haben. 1066 Eltern, in der Hauptsache Mütter, haben nicht die Möglichkeit, vernünftig arbeiten zu gehen, da sie den ganzen Tag lang rund um die Uhr für ihre Kinder sorgen müssen. Aber gleichzeitig auch 1066 Kinder, denen die Möglichkeit genommen wird, in den ersten Jahren ihres Lebens gemeinsam mit anderen Kindern aufzuwachsen, zu spielen oder herumzutoben. Keine gute Situation, weder für die Mütter, noch für die Kinder. Doch dieses Problem ist nicht in der ganzen Stadt zu finden.

Schauen wir mal ins „gutbürgerliche“ Borgfeld oder in die kleinbürgerliche Östliche Vorstadt in der Mitte der Stadt. Oder vielleicht nach Horn, wo man unter anderem die teuersten Villen der Stadt findet, oder vielleicht auch nach Oberneuland, dem insgesamt reichsten Stadtteil Bremens. Rechnet man die fehlenden Kindergartenplätze in all diesen vier Stadtteilen zusammen, kommt man nicht einmal ganz auf 20. Und in den anderen Bonzenvierteln hier sieht es nicht anders aus. In unseren Vierteln hingegen finden wir das gegenteilige Bild dazu. Allein im proletarischen Stadtteil Vahr fehlen mehr als fünf Mal so viele Plätze wie in den reichen Stadtteilen zusammen. Und die Vahr ist noch nicht einmal das extremste Beispiel – in Hemelingen, Huchting und Vegesack ist die Lage am miserabelsten. Alles Viertel unserer Klasse an den Rändern Bremens. Und alles Viertel, in denen weit über hundert Plätze fehlen. Wir sehen also, dass es unsere Klassenlage ist, die darüber entscheidet, ob wir unsere Kinder in den Kindergarten schicken können oder nicht. Und sind wir dann wirklich damit gescheitert, einen Kindergartenplatz zu bekommen, ist das Kind hauptsächlich das Problem von uns Frauen. Denn auch, wenn wir in einer Beziehung sind und unsere Kinder gemeinsam mit unserem Mann großziehen, sind wir Frauen oftmals diejenigen, denen diese Aufgabe zufällt. Doch dazu später mehr.

Häufig fangen die Schwierigkeiten schon weitaus früher an. In Bremen gibt es weit mehr Alleinerziehende als in anderen deutschen Städten. Insgesamt erziehen über 18.000 Menschen ihr Kind oder ihre Kinder allein. Und das nur in Bremen. In der Hauptsache sind diese alleinerziehenden Frauen. Uns sind zwar keine genauen Zahlen in Bezug auf Bremen bekannt, doch deutschlandweit liegt der Frauenanteil bei den Alleinerziehenden bei etwa 90 Prozent. In Bremen werden die Zahlen nicht groß anders ausfallen. Von diesen 18.000 Alleinerziehenden sind mehr als die Hälfte auf Grundsicherungen angewiesen, müssen also aufstocken oder beziehen ganz Hartz IV. Bei den Alleinerziehenden, die mehr als ein Kind haben, sind es sogar über 80 Prozent, die staatliche Hilfe beziehen, 69 Prozent sind komplett arbeitslos. Stumpfe Zahlen, die uns allerdings viel beweisen. Es ist klar, dass man als Alleinerziehende schneller in die Arbeitslosigkeit rutscht oder vielleicht aller höchstens mal Teilzeit arbeiten kann und am Ende des Monats trotzdem nicht genug Geld zur Verfügung hat. Doch auch wenn wir nicht alleinerziehend sind, sind wie schon gesagt meist wir Frauen für die Kinder verantwortlich und leiden darunter, wenn wir keinen Kitaplatz für unsere Kinder bekommen. Denn wer verdient in der Regel in der Beziehung das meiste Geld? Der Mann. Darum wird sich oft von Familien dafür entscheiden, dass der Mann arbeiten geht während die Frau zuhause bleibt und sich um Haushalt und Kinder kümmert. In den Familien unserer Klasse, wo das Geld sowieso schon knapp ist, stellt sich diese Frage meist erst gar nicht. So wird das Modell der bürgerlichen Familie, das wir alle kennen, aufrechterhalten. Den Frauen die Küche, die Wäsche, der Besen und die Kinder. Der Mann geht Arbeiten und ist das Oberhaupt der Familie, denn er verfügt ja auch über das Geld, das er verdient das völlig klassische Modell, das der bürgerliche Staat vorgibt bzw. erhalten möchte, da es ihm in die Karten spielt, unseren Interessen aber vollkommen zuwiderläuft. Es ist die doppelte Unterdrückung der Frau durch Imperialismus und Patriarchat.

Zurück zu den fehlenden Kindergartenplätzen. Die bürgerlichen Parteien in Bremen haben sich auf die Fahnen geschrieben, das Problem um den Mangel von Kitaplätzen zu lösen. Und das schon bis zum kommenden Sommer. Eine sehr optimistische Haltung, wenn man doch bedenkt, dass die Situation eigentlich immer schlechter wird und tendenziell eher mehr Plätze fehlen. Zeitgleich werden Kindergärten in den Arbeitervierteln dicht gemacht, wenn die Eltern sich nicht dagegen wehren, wie ein Fall einer Kita in Oslebshausen gezeigt hat.

Wir sehen an diesem Beispiel aus Bremen einmal mehr, dass vor allem die Arbeiter und unter ihnen vor allem die Frauen durch dieses System unterdrückt und ausgebeutet werden. Während es den Bonzen in ihren Stadtteilen an so gut wie nichts fehlt, müssen wir, um unsere Kinder in den Kindergarten zu bringen, durch die halbe Stadt fahren — vorausgesetzt, wir haben überhaupt erst das Privileg, einen Platz zu haben. Wenn wir keinen Platz haben, heißt es im Endeffekt „Pech gehabt!“ für uns Frauen. Die proletarischen Frauen sind es, die von diesem System doppelt unterdrückt und ausgebeutet werden. Und das heißt auch, dass wir doppelten Grund haben, aufzustehen, zu rebellieren und zu kämpfen. Damit dieser Kampf eine Perspektive hat, brauchen wir eine Kommunistische Partei, die es gilt, in diesem Land zu rekonstituieren. Dazu müssen auch insbesondere wir Frauen unseren Beitrag leisten, sonst wird unser Kampf nicht der um unsere Emanzipation und die Befreiung der ganzen Menschheit, sondern nur eine allgemeine Wohltätigkeit für Frauen. Denn wir sind an erster Stelle Proletarier und an zweiter Stelle Frauen. Unsere Klassenzugehörigkeit und unser Klassenstandpunkt spielen eine wichtigere Rolle als unser Geschlecht in diesem auf Ausbeutung und Unterdrückung basierenden System. Um in der Lage zu sein, unseren Beitrag zu diesem Kampf zu leisten, müssen wir vor allem auch mit den falschen Ideen in unseren eigenen Köpfen brechen. Mit all den patriarchalen Ideen, die uns die bürgerliche Gesellschaft eingeimpft hat, um selber Kämpferinnen und Führerinnen unserer Klasse werden zu können und Patriarchat und Imperialismus zu zerschlagen.


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