Rote Post #8

Posted: September 1st, 2018 | Author: | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #8

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BREMEN

Wer auf Tipico setzt, hat falsch gewettet

Geldprobleme gehören für die allermeisten Arbeiter zum Leben dazu. Wir müssen genau einteilen wann wir uns mal „etwas leisten“ können und etwas Banales wie ein kleiner Urlaub oder eine Autoreparatur kann schon mal zu einem großen Problem werden. Auf jeden Fall würde sich niemand von uns über mehr Geld beschweren.

Und genau an dieser Stelle lockt das Glücksspiel mit großen Gewinnen. Warum soll es denn nicht auch mal klappen können? Das große Los – nur einmal richtig tippen – und schon sind die Geldsorgen für immer erledigt, oder es ist zumindest mal für eine kleine Anschaffung oder einen Urlaub gesorgt. Ja, ganz vielleicht klappt es ja. Nichtsdestotrotz ist es sprichwörtlich wahrscheinlicher Präsident der USA zu werden als den berühmten 6er im Lotto zu ziehen (Präsident werden: 1 zu 10.000.000, 6er im Lotto: 1 zu 140.000.000). Und natürlich sind blinkende Merkurautomaten dafür gemacht, dass man mehr Geld reinsteckt als man rausbekommt. Das ist kein Geheimnis.

Aber bei Fußballwetten, oder Sportwetten im Allgemeinen, da gelten die Regeln des Sports, nicht die der Merkursonne – da wird man doch nicht verarscht, oder? Wenn man sich eh schon seit Jahrzehnten mit seinen Freunden jedes Wochenende zum Fußball gucken in der Kneipe trifft und gefühlt der absolute Fußballexperte ist, dann wird es ja wohl möglich sein mit dem ganzen Kram ein bisschen Kohle zu machen. Und wenn dann auch noch deutsche Fußballlegenden wie Oliver Kahn Werbung dafür machen und den Erfolg versprechen, dann muss es ja ein bisschen seriös sein und wirklich klappen können. Denn wer kennt sich schon mit Fußball aus, wenn nicht Oliver Kahn?!

Aber die Illusion davon, möglicherweise gleich fünf oder sechs Fußballspiele auf einmal richtig zu tippen und damit seinen geringen Lohn einfach mal zu verdoppeln, bleibt eben genau das – eine Illusion.

Immer mehr dieser Wettbüros eröffnen und das natürlich besonderes in den Arbeitervierteln. Wenn man beispielsweise mit der Straßenbahn Linie 1 durch die Arbeiterviertel des Bremer Ostens fährt merkt man es. Entlang der Strecke reiht sich ein Wettbüro an das Nächste. Nicht großartig anders ist es an den zentralen Orten Gröpelingens, wie der Kreuzung Gröpelinger Heerstraße/ Lindenhofstraße. Auch hier sind die verschiedenen Wettbüro-Ketten häufig sogar Nachbarn. Im Großen und Ganzen ist die Stadt voll mit Wettbüros oder zumindest den Automaten von X-Tip und co., die mittlerweile gefühlt in jedem zweiten Kiosk stehen. Somit hat man auch so gut wie an jeder Ecke die Möglichkeit sein hart erarbeitetes Geld zu verzocken. Und nichts anderes macht man, wenn man auf Sportwetten setzt. Tipico, X-Tip, B-win und Konsorten machen nichts anderes, als den Leuten unserer Klasse, denjenigen die unter diesem kaputten System am meisten zu leiden haben, das schwer verdiente Geld wieder aus den Taschen zu ziehen. Und das mit ihren leeren Versprechungen und der Illusion vom großen Geld.

Um das alles mal zu veranschaulichen: der Umsatz, der in der BRD nur durch Sportwetten jährlich erreicht wird, liegt bei mittlerweile 4 Milliarden Euro (der Umsatz durch Glücksspiel generell liegt sogar bei 9,4 Milliarden Euro jährlich). Und dieses Geld kommt genau aus den Taschen unserer Kollegen, aus den Taschen der Arbeiter die auf ein etwas besseres Leben hoffen.

Und wenn sich die Glücksspiel-Bonzen mit diesem ganzen Mist dumm und dämlich verdienen, können die ganzen Automaten, Sportwettenscheine usw. nicht wirklich viel Geld ausgezahlt haben. Sonst würde wohl jeder von uns den ein oder anderen Sportwetten-Millionär kennen. Doch stattdessen klagen die meisten nur darüber, wie viel Geld sie schon wieder verzockt haben.

Zur Zeit gibt es in der Bremer Vahr entlang der Linie 1 gerade die Entwicklung, dass Kneipen für die Glücksspiel- und Abzockerläden weichen müssen. Gleich zwei Kneipen, von denen es in mindestens einer möglich war auch die Spiele von Werder Bremen zu schauen, werden jetzt durch die Wettbüros ersetzt bzw. wurden stark verkleinert. Wo man vorher entspannt Fußball gucken und verhältnismäßig günstig sein Bier trinken konnte, muss man jetzt um Spiele verfolgen zu können einen Wettschein machen und sich sein Geld aus den Taschen ziehen lassen. Und auch anderswo ist die einzige Option sich Fußballspiele anzuschauen oft nur noch bei den Sportwettenparasiten gegeben, die ihr Geld mit der Abhängigkeit und dem Geld anderer Leute machen. Denn auch viele kleinere Kneipen können sich die Preise von Sky oder den anderen Plattformen, auf denen Fußball gezeigt wird nicht mehr leisten, sodass viele Kneipen keine Spiele mehr ausstrahlen können und die Leute mehr und mehr in die Wettbüros getrieben werden.

Somit ist es auch kein Zufall, dass ausgerechnet die Arbeiterviertel mit Tipico und co. so voll gestopft sind und werden. Die Ausbeuter wissen ganz genau wer in Not ist und wer ein paar Euros mehr auf dem Konto gut gebrauchen könnte. Und so nutzen sie die Not unserer Klasse schamlos aus.

Was noch dazu kommt ist, dass man seit einigen Jahren gar nicht mehr in eines ihrer Geschäfte gehen muss, um sein Geld weg zu werfen. Heute kann man sich einfach die Tipico App runter laden, sich sein Konto erstellen und ganz einfach übers Smartphone wetten und wetten und wetten bis das Konto wieder auf null steht. So kann auch die faulste Couch- Kartoffel nun sein Geld an diese Schweine abdrücken, in der Hoffnung auf ein paar Sorgen weniger.

Doch die Sportwettenschuppen in unseren Vierteln bringen auch noch andere Probleme mit sich. Häufig haben irgendwelche Lumpen wie Drogendealer auch mit diesen Läden zu tun und nutzen diese als Ort für ihre Geldmachereien. Diese Läden ziehen oft einen ganzen Haufen dieser Gestalten an. In Gröpelingen nahe der Kreuzung zur Lindenhofstraße ist das besonders deutlich, aber es ist sicherlich nicht der einzige Ort in Bremen wo es so ist. Und auch wenn nicht offen Drogen aus einem dieser Läden heraus verkauft werden, fungieren sie doch häufig als Dreh- und Angelpunkte der Drogengeschäfte auf der Straße. So können sich auch Dealer ein regelrechtes logistisches Netz mit den Sportwettenläden in den Arbeitervierteln aufbauen und ihr Geschäft so weiter voran treiben und ausbauen. Falls die Läden nicht sowieso direkt von den Banden betrieben werden, die in solche Schweinereien verwickelt sind. Unsere Klasse braucht keine Drogen, die sie noch mehr kaputt machen als es das Leben in diesem System sowieso schon macht. Und schon gar nicht brauchen wir irgendwelche Schweine, die mit dem Leid unserer klasse ihr Geld machen, egal ob das nun die Sportwetten-Bonzen oder irgendwelche Drogendealer sind, die uns zu Abhängigen machen, nur weil sie sich auf die einfache Tour ein paar Euro verdienen wollen, statt wie es in der Arbeiterklasse normal ist, zu arbeiten.

Ein besseres Leben wird die Arbeiterklasse aber niemals in diesem System finden und schon gar nicht auf einem Tippschein. Denn das Glücksspiel und die Sportwetten sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Was wir tun müssen, ist die Sache selbst in die Hand zu nehmen und uns als eine Klasse zu wehren, als eine Klasse zu kämpfen gegen die Ausbeuter und Unterdrücker, gegen diejenigen, die ihren Reichtum aus unserem Leid ziehen. Nur durch diesen vereinten Kampf werden wir uns befreien von all unserer Not und von all unserem Leid. Deshalb lasst es euer Geld für so einen Mist rauszuwerfen und kämpft als eine Klasse und für eure Befreiung, die Befreiung der Menschheit. Denn nur gemeinsam können wir etwas verändern und unsere eigene Geschichte schreiben.


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