Rote Post #20

Posted: September 1st, 2019 | Author: | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #20

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HAMBURG

Geflüchteter von den Bullen erschossen

Mitte August wurde in einer Flüchtlingsunterkunft in Stade-Bützfleth ein 19-jähriger Afghane von den Bullen erschossen. Die Bullen wurden angeblich wegen eines Streits zwischen zwei Personen in der Flüchtlingsunterkunft gerufen. Die Staatsanwaltschaft will nun die genauen Umstände ermitteln. Man will zur Abwechslung „ein besonderes Augenmerk darauf richten, ob der Polizeibeamte in Notwehr gehandelt hat”.

Die Bullen wurden gerufen, weil ein Mitbewohner des Ermordeten angab, dass er Angst vor ihm habe. Nachdem deutlich wurde, dass der Geflüchtete polizeibekannt war, sind direkt zwei Bullenwagen angerückt. Laut Staatsanwaltschaft war er jedoch nicht vorbestraft. Bei der Polizei sei er auffällig geworden, weil er mit einem Messer durch die Stadt gelaufen sei und gegen einen LKW getreten habe. Ein Verfahren wegen Nachstellung sei wegen Geringfügigkeit eingestellt worden. Als die Bullen eintrafen, habe es zu diesem Zeitpunkt keinen körperlichen Streit gegeben. Nachdem der 19-jährige nicht auf die Ansprache der Bullen reagierte, setzten diese direkt Pfefferspray gegen ihn ein. Da dies keine große Wirkung zeigte und der Geflüchtete die Bullen angeblich mit einer Eisenstange attackiert habe, schoss daraufhin einer der Bullen auf ihn. Der Geflüchtete starb weniger später an den Schüssen.

Die Staatsanwaltschaft möchte sich nicht zu den Informationen äußern, dass der Ermordete psychisch krank gewesen sei. Laut der Lokalzeitung war der Geflüchtete wegen psychischer Probleme in stationärer Behandlung, ist jedoch wieder entlassen worden, nachdem er neue Medikamente bekommen hat. Wegen dieser psychischen Probleme habe er auch seine Ausbildung als Tischler abbrechen müssen.

„Wenn die Polizei vorab über die Problematik informiert war, kann es eigentlich nicht überraschend sein, dass der Mann nicht angemessen reagiert”, sagt Kai Weber vom niedersächsischen Flüchtlingsrat. Offensichtlich war der Geflüchtete und seine Situation den Beamten bekannt, sonst wären sie nicht gleich mit zwei Streifen ausgerückt. Dennoch hat ein Geflüchteter, der traumatisiert war und nicht auf eine Polizeiansprache reagiert, den Staatsverteidigern so viel Angst gemacht, dass sie direkt ihre Waffen zückten. Was sonst „normale“ Praxis unter den Bullen sein kann, wenn die Beamten die Kontrolle verlieren: erstmal einen Psychologen zu Rate ziehen, nach einem missglückten Pfeffersprayeinsatz einen Warnschuss abgeben oder im schlimmsten Fall ins Bein schießen. Stattdessen wird der Geflüchtete direkt hingerichtet. Selbst bürgerliche Kriminologen meinen, dass ein Angriff mit einer Hantelstange „ganz klar kein Grund [sei], zur Waffe zu greifen“, da man ihr ausweichen könne.

Dabei werden Nachrichten über Polizeigewalt immer alltäglicher. Immer wieder hört man davon, wie Gefangene in Polizeigewahrsam sterben und absurdesten Geschichten dazu, wie sich beispielsweise eine bereits fixierte Person sich selbst verbrannt haben soll, wie sie es uns über den Mord an Oury Jalloh verkaufen wollen. Die faschistische Tendenz der BRD wird immer sichtbarer, zuletzt mit den Enthüllungen zum NSU 2.0 oder dem Hannibal Netzwerk, welche in aller Ruhe eine Todesliste von 25.000 Linken aus der gesamten BRD anfertigen konnten. Die meisten Mitglieder des Netzwerks stammen aus dem direkten Umfeld von Polizei und Bundeswehr. Die verbeamteten Faschisten hatten direkten Zugang zu den Meldedaten ihrer Zielpersonen und zu Waffen und hatten bereits konkrete Vorbereitungen für geplante Morde getroffen. Die Zahl von Menschen, die von der Polizei ermordet werden liegt in Deutschland zwischen sechs und 13 pro Jahr, gemessen von 2009 bis 2017. Dabei waren die Hälfte aller Opfer psychisch krank. Diese Zahl dürfte in den letzten Jahren mit der Anzahl an traumatisierten Geflüchteten angestiegen sein. Nachvollziehbar, dass bei vielen Geflüchteten psychische Probleme auftreten. Zum einen weil sie auf ihrer Flucht zum Teil schlimme Dinge erlebt haben, aber auch weil sie mit einer Illusion nach Deutschland kommen. Der Illusion, dass hier alles besser ist, quasi das Paradies. Und die Realität ist zusammengepfercht in irgendeiner Unterkunft Leben, nicht arbeiten dürfen, vielleicht bald schon wieder abgeschoben werden und der imperialistische Chauvinismus, der sich immer wieder in Gewalt bis hin zu Hetzjagden gegen Geflüchtete äußert. Und dann kommen hier natürlich auch noch die Schikanen durch den deutschen Staat, repräsentiert durch die Polizei dazu.

Doch wo die Bullen schikanieren, regt sich Widerstand, und dieser wird ziemlich erfolgreich entwickelt. Vor ein paar Monaten starb der 34-Jährige Psychiatrie-Patient Tonou-Mbobda in Obhut des UKEs in Hamburg an Herzversagen (wir berichteten), nachdem ihm gegen seinen Willen ein Beruhigungsmittel verabreicht wurde und er dafür von den privaten Sicherheitskräften brutal fixiert wurde. Er war freiwillig in die Klinik gekommen, um sich bei seinen psychischen Problemen Hilfe zu suchen. Laut Augenzeugen ging von ihm keine Aggression aus. Die Sicherheitskräfte hingegen hätten ihn schon früher schikaniert. Daraufhin gab es eine große Demonstration in Hamburg, bei der sich Angehörige und Antifaschisten zusammen getan haben.

Ähnlich wie in Hamburg sind auch, wie in der letzten Ausgabe der RoPo berichtet, in Essen die Massen auf die Straße gegangen und haben fest entschlossen ihre Solidarität mit dem von der Polizei ermordeten Deutsch-Algerier Adel B. bekundet. Die tiefsten und breitesten Massen sind dort zusammen mit Adels Angehörigen im Arbeiterviertel Altendorf auf die Straße gegangen. Adel wurde durch die geschlossene Wohnungstür von den Bullen erschossen, nachdem er angeblich mit einem Messer auf sie zu gehen wollte. Die Demo hat die Lügen des alten Staates entlarvt und deutlich bewiesen, dass die Arbeiterklasse sich nicht spalten lässt, egal welcher Herkunft.

Was die drei genannten Menschen verbindet ist: Sie waren Migranten, sie hatten psychische Probleme und sie wurden von der Polizei ermordet, statt dass sie die Hilfe bekommen haben, die sie gebraucht hätten. Sie waren nicht die ersten und sie werden nicht die letzten sein die von den Bullen ermordet werden. Die Bullen sind die erste Verteidigungslinie des bürgerlichen Staates und natürlich schikanieren sie die Menschen, die am meisten Grund haben sich zu wehren. Die Armen und die Migranten, was häufig in eins fällt. Die Antwort darauf muss sein, die Massen gegen die Gewalt durch die Polizei zu mobilisieren. Wir können nicht akzeptieren, dass der Staat ungestraft Menschen umbringen kann und damit davon kommt.


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