Rote Post #31

Posted: Oktober 1st, 2020 | Author: | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #31

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FRAUEN

DER AUSNAHMEZUSTAND SCHADET UNSEREN KINDERN

Nach Wochen, die wir zuhause eingepfercht wurden, füllen sich endlich wieder die Spielplätze. Der Ausnahmezustand wurde gelockert, natürlich erst einmal unter Vorbehalt. Für die meisten Mütter, mit denen ich mich auf den Spielplätzen unterhalte, bedeutet dies vorerst das Ende einer massiv belastenden Zeit. Sie alle erzählen davon, wie ihre Kinder in der Zeit des richtig krassen Ausnahmezustandes nicht mehr zur Schule oder in den Kindergarten durften, wodurch ihnen die tägliche Routine verloren ging. Auch, dass den Kindern der Umgang mit ihren Freunden verboten wurde, sorgte mit dafür, dass es unseren Kindern immer schlechter ging. Mit der Zeit wurden ihre Kinder immer unruhiger, wussten nicht mehr, wohin mit ihrer Energie und stritten sich häufiger mit ihren Geschwistern. Die Kinder, die schon zur Schule gehen, waren total gestresst davon, so viel Lernstoff alleine bewältigen zu müssen, und verloren irgendwann komplett die Motivation.

Von vornherein war doch klar, dass sich der Ausnahmezustand negativ auf unsere Kinder auswirken würde. Und das hat jetzt auch eine Studie des Hamburger Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf bestätigt. Die Ergebnisse der COPSY (Corona und Psyche)-Studie sind so deutlich, dass selbst die verantwortlichen Wissenschaftler erschrocken sind. Bei der Studie wurden etwa 2500 Kinder und Eltern befragt, wie sie die aktuelle Situation empfinden, und die Ergebnisse zeigen ganz klar, wie belastend die Situation für unsere Kinder ist.

71 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen fühlen sich durch die Maßnahmen äußerst belastet. Zwei Drittel von ihnen geben eine verminderte Lebensqualität und ein geringeres psychisches Wohlbefinden an, was eine Verdopplung zu der Zeit vor dem Ausnahmezustand darstellt. Für zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen sind die Schule und das Lernen anstrengender als vor dem Ausnahmezustand. Sie haben Probleme, den schulischen Alltag zu bewältigen und empfinden diesen teilweise als extrem belastend.

Das Risiko für psychische Auffälligkeiten steigt von rund 18 Prozent vor den Corona-Maßnahmen auf 31 Prozent während der Krise. Die Kinder und Jugendlichen machen sich mehr Sorgen, um die 20 % der Kinder zeigen Auffälligkeiten wie Hyperaktivität, emotionale Probleme und Verhaltensprobleme. Und die Auswirkungen sind nicht nur psychisch, sondern auch körperlich.

Und dann kommt das besonders Interessante, nämlich, dass die Forschung belegt, dass es zwischen den Kindern verschiedener gesellschaftlicher Klassen deutliche Unterschiede gibt. So heißt es:

„Vor allem Kinder, deren Eltern einen niedrigen Bildungsabschluss beziehungsweise einen Migrationshintergrund haben, erleben die Coronabedingten” Veränderungen als äußerst schwierig. Fehlende finanzielle Ressourcen und ein beengter Wohnraum führen ebenfalls zu einem hohen Risiko für psychische Auffälligkeiten. Mangelnde Rückzugsmöglichkeiten und fehlende Tagesstruktur können besonders in Krisenzeiten zu Streit und Konflikten in der Familie führen.”

Da steht es: Unsere Kinder leiden besonders darunter. Mit „niedrigen Bildungsabschluss” und „Migrationshintergrund“ sind wir, die Arbeiterklasse in diesem Land, gemeint. Wir haben keinen großen Garten, in dem unsere Kinder spielen können. Unsere großen Kinder müssen auf die Kleinen aufpassen, weil wir kein Homeoffice machen können. Dass die Kinder, deren hauptsächliche Möglichkeit, um sich zu bewegen und Freunde zu treffen, der Spielplatz ist, während Spielplatzschließungen unausgelastet sind, ist klar. Natürlich sind die Kinder total überfordert mit der Situation und kommen schlecht klar.

Nach dem bisherigen Erkenntnisstand ist der Verlauf einer ohnehin relativ unwahrscheinlichen Erkrankung infolge einer Corona-Infektion bei Kindern im Allgemeinen sehr milde. Unsere Kinder leiden also grundlos unter all den Maßnahmen, die man gegen sie richtet. Ihnen wurde der Sportclub, das Jugendzentrum – jede Möglichkeit, sich legal zu treffen, genommen. All dies wird entschieden, ohne, dass sie jemals dazu gefragt oder zu Wort gekommen lassen werden. Und da sind wir Eltern auch mit für verantwortlich. In dieser Gesellschaft wird so getan, als wären Kinder nicht in der Lage, die Situation, die aktuell vor sich geht, zu begreifen und selbstständig Entscheidungen zu treffen. Kinder sind aber keine hilflosen Wesen, die vor der Realität geschützt werden müssen. Sie verstehen es sehr gut, wenn etwas falsch läuft und sie haben das Recht, dies festzustellen und Lösungen für die Probleme zu finden. Jeden Tag sehen die Kinder doch in ihrer Nachtbarschaft, dass es nicht nur ihnen allein schlecht geht, sondern, dass die anderen das Gleiche erfahren. Wenn das Jugendzentrum also wieder schließt, betrifft das viele Kinder. Warum sollten sich die Kinder dagegen nicht zusammentun und sich austauschen über die konkreten Probleme und diskutieren, wie man z.B. die Forderung, dass das Jugendzentrum wieder aufmacht, durchsetzen kann? Wieso sollten sie sich nicht organisieren? Genügend Probleme gibt es auch bei den Kindern. Schlechte und kaputte Spielplätze, Schimmel in den Schulräumen, dass der Sportverein dicht macht oder dass unsere Kinder grundlos von der Polizei kontrolliert werden. Diese ganzen Dinge richten sich direkt gegen unsere Kinder und das merken sie auch. Und eigentlich immer steckt in den Kindern der Drang, gegen diese Ungerechtigkeiten vorzugehen und so steckt in ihnen auch der Drang, die Ausbeutung und Unterdrückung zu bekämpfen.

Unterschiedliche Menschen haben ihre Organisationen: Arbeiter, Frauen, Studenten usw. Warum sollten Kinder nicht ein Recht Organisationen haben, in denen sie dafür kämpfen, dass nie wieder jemand ausgebeutet und unterdrückt wird. Kinder können das sehr gut verstehen und dadurch, dass sie so wenig, im Vergleich zu uns Erwachsenen, von dieser alten Gesellschaft mitbekommen haben, auch andere, neue Ideen entwickeln. Gerade jetzt, wo stürmische Zeiten anstehen, ist es wichtig, sie darauf vorzubereiten. Dazu fällt mir eine Stelle aus dem Buch „Die Hälfte des Himmels ein“ (in RoPo-Ausgabe #26 wurde dazu eine Rezension dazu veröffentlicht), die mich tief beeindruckt hat; die Autorin [Claudi Broyelle] beschreibt dort folgend:

„Das erinnert mich an jenen kleinen Vietnamesen, den wir in einem Bericht über Nordvietnam im Fernsehen gesehen hatten; man sah die Kinder beim militärischen Training, wie sie lernten, eine Granate zu entsichern, sich organisierten, um ohne Panik in den Bunker zurückzukehren, etc. Der Journalist hatte gefragt: „Aber findest du, dass das die richtigen Beschäftigungen für ein Kind sind, diese militärischen Vorbereitungen? Und das Kind hatte geantwortet: „Glauben Sie, dass die amerikanischen Bomben die Kinder verschonen werden? Glauben Sie, dass die Kinder außerhalb des Krieges bleiben können, wenn das ganze Land angegriffen wird? Nein! Darum ist es wichtig, dass die Kinder bewaffnet werden und lernen, dem Aggressor Widerstand zu leisten.””

Auch die aktuellen Beispiele der Volkskriege, der nationalen Befreiungsbewegungen kurz, überall wo für die gerechte Sache gekämpft wird, beteiligen sich Kinder und Jugendliche. Und machen wir uns nichts vor, eine Revolution ist nichts gemütliches und sanftes, und es ist notwendig, die Kinder darauf vorzubereiten. Und vielleicht sind sie auch die Generation, die das Glück haben wird, eine andere, eine neue Gesellschaft zu erleben. Um diese zu erkämpfen und aufzubauen, müssen wir unseren Kindern das Recht zugestehen, sich aktiv an der Revolution zu beteiligen und sich in den Reihen des Proletariats zu organisieren.

Anteil der 11- bis 17-jährigen Befragten (COPSY-Studie) mit Symptomen


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