Rote Post #69

Posted: November 18th, 2023 | Author: | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #69

 

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Hamburg

Hafenarbeiter kämpfen gegen die Privatisierung des Hafens

Schon einmal dieses Jahr sorgte der größte Hafen Deutschlands für Schlagzeilen in der Presse, als Teile des Hamburger Hafens an den chinesischen Konzern Cosco Shipping verkauft wurden – ein Deal, der noch vom damaligen Bürgermeister und berüchtigtem Mafioso (und heutigem Bundeskanzler) Olaf Scholz eingefädelt wurde. Nun im September war der Hafen wieder Hauptgesprächsthema der Stadt. Der Grund: Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) soll verkauft und privatisiert werden. Bislang war die HHLA zu 100 Prozent in Besitz der Stadt Hamburg. Sie betreibt drei der vier Containerterminals des Hafens und ist damit eines der umsatzstärksten Unternehmen Hamburgs.

Nun verkauften Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher und Finanzsenator Andreas Dressel (beide SPD), angeblich im Sinne der Stadt und der Hamburger, 49,9 Prozent seiner Anteile an den Konzern Mediterranean Shipping Company (MSC). MSC, mit Hauptsitz in Genf in der Schweiz, ist die derzeit größte Containerreederei der Welt.

Als Reaktion auf den Verkauf und die Privatisierung rief die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) am 19. September zu einer Demonstration auf. Vor der HHLA-Zentrale in der Speicherstadt versammelten sich etwa 2.000 Menschen – Hafenarbeiter und Kollegen aus vielen anderen Bereichen. Ein gutes Beispiel sind einige Hochbahner, die mit einem selbst gemalten Transparent mit der Aufschrift „Hochbahner solidarisch an eurer Seite!“ auftraten und im Laufe der Demonstration an mehreren Stellen den Busverkehr blockierten. Sogar Hafenarbeiter aus anderen Hafenstädten wie Bremen und Bremerhaven reisten zur Demo an und lebten ihre Klassensolidarität mit ihren Hamburger Kollegen. Auch Aktivisten des Roten Bundes beteiligten sich an der Demo und sprachen mit den Kollegen aus dem Hafen. Diese sprachen eine deutliche Sprache. So erzählt ein Kollege der HHLA: „Die Belegschaft steht der Privatisierung sehr ablehnend gegenüber. Der Hafen spült so viel Geld in Kassen der Stadt. Dieses Geld ist dann futsch und fließt in die Kassen von MSC. Der Allgemeinheit, also den Hamburgern, sollte der Hafen gehören und auch das ganze Geld, das da gemacht wird.“

Ein weiterer Kollege erzählt: „Die große Mehrheit der Belegschaft ist ganz klar gegen die Privatisierung. Man sieht ja wie viele Leute heute hier bei der Kundgebung sind, alles bekannte Gesichter aus dem Hafen. Konzerne wie MSC, also die Privaten, sehen nur Profit, die wollen nur Geld abschöpfen und machen sich die Taschen voll. Und wir sollen auf einmal für die arbeiten und uns fragt keiner. Ich bin fast mein ganzes Leben im Hafen und hab nicht mehr lang bis zur Rente. Dass ich das noch erleben muss, ist traurig.“

Die Stimmung bei den Hafenarbeitern ist eindeutig. Keiner will für MSC arbeiten und die Taschen der größten Containerreederei der Welt füllen. Dennoch darf man sich keine Illusion darüber machen, was die HHLA auch in Besitz der Stadt Hamburg war und bleibt: Ein (staats-)monopolistischer Konzern, der darauf ausgelegt ist, Profit zu machen und dafür die Arbeitskraft der Belegschaft ausbeutet. Nichtsdestotrotz ist der Kampf gegen die Privatisierung richtig! In vielen Fällen von Privatisierung wurden die Arbeitsbedingungen deutlich schlechter. Peter Tschentschers Versprechen, dass die Arbeitsverträge der Hafenarbeiter nicht angerührt werden, sind nichts als leere Worte, denen auch keiner im Hafen Vertrauen schenkt. Dazu kommt natürlich, dass erzielte Gewinne der HHLA der Stadt zukünftig an anderen Stellen fehlen werden. Das beschreibt auch der Kollege, den wir als Nächstes zitieren wollen:

„Ich selber bin gar kein Hafenarbeiter und bin aus Solidarität hier. Ich bin mittlerweile Rentner und habe früher beim Landesbetrieb der Krankenhäuser gearbeitet, der vor 20 Jahren von Asklepios gekauft und privatisiert wurde. Und damals haben sich alle Befürchtungen bestätigt und es ging nur noch um Profit und die Interessen der Angestellten und der Patienten fielen hinten über. Ich bin immer gegen Privatisierung, egal ob im Hafen, im Krankenhaus, bei der Bahn oder bei Wohnungen. Der Hafen hat mit seinen Gewinnen auch viele öffentliche Einrichtungen oder auch die Bücherhallen finanziert. Wo soll das Geld jetzt herkommen? Die ganze Sache jetzt geht, wie schon damals bei der Privatisierung der Krankenhäuser, meiner Meinung nach vor allem auf Kosten der Belegschaft, aber auch aller anderen Bürger von Hamburg.“

Die Wut, die über die Privatisierung herrscht, fand in der Demonstration einen klaren Ausdruck. Schon nach wenigen gelaufenen Metern nahm sie einen sehr kämpferischen Charakter an. Wieder und wieder wurden Bengalos und Böller gezündet. Als es am Hamburger MSC Standort vorbeiging, flogen einige Gegenstände und Böller gegen das Gebäude und auf die Polizisten, die es schützten. Angekommen am Ort der Endkundgebung stellte sich dann heraus, dass der Platz vorm Rathaus spontan von Senat und Polizei mit Bauzäunen abgesperrt wurde, um zu verhindern, dass die Hafenarbeiter direkt vor das Rathaus ziehen. Die Gewerkschaftsführung ließ dann vom Lautsprecherwagen verkünden, dass man das Vorgehen des Senats zwar „unverschämt“ fände, die Situation jetzt aber so sei und man sich damit abfinden müsse. Die Kollegen sahen das anders. Dass 2.000 Hafenarbeiter nicht durch einen Bauzaun aufzuhalten sind, hätte der Senat auch vorher erahnen können. Und so kam es wie es kommen musste: Die Hafenarbeiter marschierten einfach über die Köpfe der Gewerkschaftsführung hinweg, in null Komma nichts war der Zaun zu Boden gerissen und die Arbeiter nahmen sich jubelnd und unter der Parole „Tschentscher ist ein Hurensohn, genau wie MSC!“ den Platz. Behelmte Hundertschaften der Polizei mit Kameras und Schlagstöcken stellten sich dann gegen die Arbeiter, um das Rathaus zu schützten. Noch eine ganze Stunde gingen die kämpferischsten Teile der Belegschaft auf Tuchfühlung mit den Bullen, riefen Parolen und ließen sich nicht wegdrängen. In einem Gespräch zwischen einigen Hafenarbeitern und den Aktivisten des Roten Bundes sagte ein Kollege: „Am liebsten würde ich direkt da rein laufen, scheißegal ob die Bullen da stehen. Ich würde den ganzen Laden auseinander nehmen, das ist so eine Schweinerei, was die machen!“ Ein anderer Kollege sagte darauf. „Wir sind doch viel mehr als die und alle kampferprobt. Beim Streik letztes Jahr haben wir den einen Bullen doch auch durch die Gegend getreten, als der mit seinem Schlagstock so ausgerastet ist.“

Wir sehen mit dem Kampf der Hafenarbeiter gegen die Privatisierung der HHLA, dass die aktuellsten Entwicklungen des Klassenkampfes in der BRD eine große Kampfbereitschaft bei Teilen der Arbeiterklasse auslösen. Die Massen sind wütend auf die Konzerne, auf die bürgerliche Politik, ja grundsätzlich auf all das, was dieses System mit ihnen macht. Gewerkschaftsdemonstrationen, bei den es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kommt, hat es lange Zeit nicht gegeben, doch hier in Hamburg ist es nun schon das zweite Mal seit letztem Jahr, dass die Hafenarbeiter kämpfen und sich wehren. Hinzu kommt eine kapitulationistische Gewerkschaftsführung, die sich immer weiter als verräterischer Müllhaufen enttarnt und weder den Notwendigkeiten des Klassenkampfes, noch den Forderungen der Arbeiter gerecht wird. Die Arbeiter wollen Kampf und sind bereit, sie überschreiten teils selbstständig, teils Seite an Seite mit Revolutionären die Grenzen des gesetzlich Erlaubten. Es liegt an den Kommunisten, diese Kämpfe in die Hand zu nehmen, anzuführen und dann tatsächliche Veränderung zu schaffen.


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