Rote Post #78

Posted: September 30th, 2024 | Author: | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #78

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Hamburg

Der Kampf der Hafenarbeiter

Die umstrittenen Pläne zum Einstieg der weltgrößten Reederei MSC beim Hamburger Hafenbetreiber HHLA schlagen in der Hansestadt immer weiter immer höhere Wellen. Bei einer öffentlichen Anhörung im Haushaltsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft gab es durchaus scharfe Kritik an dem vom rot-grünen Senat vorangetriebenen Deal. Hafenarbeiter und -ingenieure, Gewerkschafter und Kleinaktionäre sind gegen das Geschäft Sturm gelaufen. Damit verzögert sich die für den Abschluss noch notwendige Zustimmung der Bürgerschaft.

Der Deal ist nicht nur ein Streit zwischen Vertretern eines Staatskapitalismus und denen der nicht-staatlichen Monopole. Es gab unter anderem auch solche Kritik, dass der Konzern vor allem angesichts seines als besonders wertvoll erachteten Schienengeschäfts Metrans unter Wert verkauft werde.

Dass dieses Geschäft viele Haken hat, ist offensichtlich, allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die verantwortlichen Akteure planlos oder verkürzt auf die zukünftige Entwicklung schauen. Bürgermeister Tschentscher ist quasi Ziehsohn seines Vorgängers, dem berühmt-berüchtigten Gangsters von Hamburg, Betrüger und Deal-Macher, Olaf Scholz. Die Arbeitsbedingungen im Hamburger Hafen sind in den vergangenen Jahre geprägt worden durch Ausgliederungen, Logistik-Tarife und Zeitarbeit. Die gelben Gewerkschaften, hier ver.di, haben sich darum nicht nur nicht gekümmert, im Gegenteil. Der „wilde Streik“ im November wurde mit Verweis auf die Juristerei abgewürgt und die betroffenen Kollegen mehr oder weniger im Stich gelassen – „da kann man nichts machen“, ist die Haltung von ver.di diesbezüglich.

Eine Lösung, um die Löhne zu drücken und die Arbeiter weiter zu spalten, bietet sich dem Hamburger Senat durch die Teilprivatisierung. Damit würde sich die SPD dann auch nicht direkt die Hände schmutzig machen. Ein Beispiel dafür ist Slawa Fur, Betriebsratsvorsitzender bei der Containerreparaturfirma Medrepair. Medrepair ist eine 100-prozentige Tochter von MSC, und diese kündigte dem Betriebsratsvorsitzenden fristlos und wurde rechtlich dabei von einem als „Union-Buster“ bekannten Anwalt, Helmut Naujoks, vertreten. Entsprechend sind die Aussichten für die Hamburger Hafenarbeiter. Darum ist die auf Demonstrationen gerufene Parole „Unser Hafen, unsere Stadt – Macht den MSC-Deal platt!“ durchaus nachvollziehbar.

Beim bislang letzten Streik hatten die Hafenarbeiter die Arbeit in einem Warnstreik niedergelegt, weil wieder über ihren Lohn verhandelt wird. Um Druck zu machen, hatte die Gewerkschaft ver.di alle Seehafen-Beschäftigten in Hamburg, Bremen, Bremerhaven, Brake und Emden zum zentralen Streik nach Hamburg gerufen. Das Ergebnis war ein 48-stündiger Stillstand – in dieser Zeit wurden keine Schiffe abgefertigt, keine Container auf LKW verladen. Betroffen waren nicht nur die großen Containerterminals, sondern auch Stauereien und der Stückgut-Umschlag. Rund 12.000 Menschen arbeiten in den bestreikten deutschen Seehäfen. Beeindruckend dabei ist neben der Kampfbereitschaft, welche die Hafenarbeiter immer wieder an den Tag legen, die Geduld, welche ver.di mit den Arbeitskäufern hat. Ganze sieben ergebnislose Verhandlungsrunden brauchte es, damit ver.di sich dazu durchringen konnte, einen zweitägigen Warnstreik durchzuführen.

Etwa drei Wochen vorher war ver.di nur dazu bereit, die Hafenarbeiter mit Beginn der Frühschicht zu einem nur 24-stündigen Warnstreik aufzurufen. Auch hier wurde die Abfertigung von Container- und Frachtschiffen in Deutschlands großen Nordseehäfen weitgehend lahmgelegt worden war. Betroffen waren die Häfen Hamburg, Emden, Bremen, Bremerhaven, Brake und Wilhelmshaven. Man stelle sich vor, die Hafenarbeiter würden einmal richtig streiken dürfen.

Beeindruckend ist auch historisches: Mit einem ersten Warnstreik in einer Spätschicht, sowie dem 24-stündigen Warnstreik vor dem unlängst abgehaltenen 48-stündigen Warnstreik summiert sich der streikbedingte Arbeitsausfall auf gerade einmal rund 80 Stunden pro Mitarbeiter. Dies ist es der längste Arbeitskampf in den Häfen seit mehr als 40 Jahren, und das Ausmaß des Streiks ist ein Armutszeugnis für die gelben Gewerkschaften.

Auf der bislang letzten Streikdemonstration kam es erneut zu Auseinandersetzungen mit der Polizei (Bild rechts). Diese griff die Demonstration an, weil sie angeblich jemanden festnehmen wollten, der angeblich einen Böller geworfen habe, wodurch angeblich mehrere Personen verletzt worden seien. Auf der Abschlusskundgebung am Besenbinderhof in der Nähe des Hauptbahnhofs griffen die Beamten an, hielten einen Mann fest. Die Situation eskalierte. Mehrere Hafenarbeiter drängten die Polizei zurück. Es flogen Flaschen aus der Menge. Die Polizei setzte Pfefferspray ein. Fünf Polizisten und fünf Demonstranten wurden nach Berichten verletzt. Es nahmen etwa 5.000 Menschen an der Demonstration teil.

Die Seite der Arbeitskäufer hatte im Vorwege an mehreren norddeutschen Arbeitsgerichten versucht, die Warnstreiks mithilfe von einstweiligen Verfügungen zu stoppen. Das gelang nicht. Bei der Verhandlung vor dem Hamburger Arbeitsgericht zeigte sich aber, dass das Gericht Zweifel daran hat, ob beim Streikbeschluss der Arbeiter alle Formalien korrekt eingehalten wurden. Das Ergebnis ist nun ein Vergleich. Nach diesem Streik im Juni sind weitere Arbeitskämpfe bis zum 26. August ausgeschlossen. In anderen Städten, unter anderen in Bremen, Oldenburg und Wilhelmshaven wurde der Streik von den zuständigen Gerichten in den ersten Instanzen bestätigt.

Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann forderte anschließend die Gewerkschaft und die Arbeitskäufer dazu auf, sich auf ein Schlichtungsverfahren zu einigen. Die Streiks nannte Westhagemann schädigend, so etwas würde die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Hamburg schwächen. Bislang hat sich ver.di noch nicht darauf eingelassen, aber das wird nur eine Frage der Zeit ein.

Gegenwärtig fordert ver.di lediglich mindestens einen Inflationsausgleich für alle Beschäftigten. Die Arbeitskäufer beharren bislang auf maximal 12,5 Prozent, allerdings verteilt auf zwei Jahre. Darüber hinaus verweigert sich ver.di allerdings, den durchaus berechtigten Forderungen der Arbeiter nachzukommen und sowohl die Rücknahme der Strafmaßnahmen gegen die Arbeiter des wilden Streiks, als auch den Stopp des Deals mit der MSC zu fordern. Im Gegenteil wird – ganz in deutscher sozialdemokratischer Tradition – ökonomischer und politischer Kampf so strikt voneinander getrennt, dass jedem Beobachter die Absurdität ins Gesicht springt.


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