Klassenstandpunkt #2

Posted: August 1st, 2014 | Author: | Filed under: Klassenstandpunkt | Kommentare deaktiviert für Klassenstandpunkt #2

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THEORIE

Über Erkenntnistheorie

Woher kommen die richtigen Ideen der Menschen?“ fragt der Vorsitzende Mao Tse-Tung in seinem gleichnamigen Werk. Und er fährt fragend fort: „Fallen sie vom Himmel? Nein. Sind sie dem eigenen Gehirn angeboren? Nein.“ Nun, diese Sache erscheint eigentlich recht banal, aber dennoch finden sich auch bei aufgeklärten Menschen regelmäßig idealistische, nicht-materialistische Kriterien und so wollen wir einen Blick wagen auf die marxistische Erkenntnistheorie, um mehr Klarheit in diesem Aspekt und den daraus notwendigerweise folgenden Konsequenzen zu schaffen. Dabei wollen wir voranstellen, dass die materialistische Dialektik, die Philosophie unserer Klasse, als eines von drei Bestandteilen (Philosophie – Ökonomie – wissenschaftlicher Sozialismus) des Marxismus, einen nicht gering zu schätzendes Gewicht hat und ihre Durchsetzung im Kampf, nicht als Diskussion unter Gelehrten abseits der Realität, geschah und geschehen muss.

Aufbauend auf dem „Besten, was die Menschheit im 19. Jahrhundert in Gestalt der deutschen Philosophie […] hervorgebracht hat“ entwickeln Marx und Engels, hauptsächlich Marx, den Materialismus und die Dialektik und heben sie auf eine neue Stufe. Sie schufen eine (die erste!) einheitliche, harmonische, wissenschaftliche Theorie (eine in sich geschlossene, mit den Naturgesetzen in Einklang und nicht im Widerspruch stehende Theorie), die erklärt, dass die Erkenntnis des Menschen die von ihm unabhängig existierende, sich ewig entwickelnde Materie widerspiegelt und, dass die gesellschaftliche Erkenntnis des Menschen (philosophische, religiöse, politische Anschauungen und Lehren usw.) die ökonomische Struktur der Gesellschaft widerspiegeln.

Kern der Philosophie des Proletariats ist das Gesetz des Widerspruchs. Dieses ist das EINZIGE UNIVERSELLE GESETZ DER UNABLÄSSIGEN VERWANDLUNG DER UNENDLICHEN MATERIE. Im Rahmen der Entwicklung der marxistischen Philosophie, die sich mit den historischen Sprüngen und durch den Klassenkampf weiter entwickelt hat, hat der Vorsitzende Mao Tse-Tung mit dem Werk „Über den Widerspruch“ eine präzise Analyse zu diesem Thema vorgelegt. Doch bereits Engels entwickelt eine weitreichende Vorstellung über Widersprüche und ihre Bedeutung:

Wechselwirkung ist das erste, was uns entgegentritt, wenn wir die sich bewegende Materie im ganzen und großen, vom Standpunkt der heutigen Naturwissenschaft betrachten. Wir sehn eine Reihe von Bewegungsformen, mechanische Bewegung, Wärme, Licht, Elektrizität, Magnetismus, chemische Zusammensetzung und Zersetzung, Übergänge der Aggregatzustände, organisches Leben, die alle, wenn wir jetzt noch das organische Leben ausnehmen, ineinander übergehn, einander gegenseitig bedingen, hier Ursache, dort Wirkung sind, und wobei die Gesamtsumme der Bewegung in allen wechselnden Formen dieselbe bleibt […] Mechanische Bewegung schlägt um in Wärme, Elektrizität, Magnetismus, Licht etc. etc., und vice versa. So wird von der Naturwissenschaft bestätigt […], daß die Wechselwirkung die wahre causa finalis |letzte Ursache| der Dinge ist. Weiter zurück als zur Erkenntnis dieser Wechselwirkung können wir nicht, weil eben dahinter nichts zu Erkennendes liegt. Haben wir die Bewegungsformen der Materie erkannt […], so haben wir die Materie selbst erkannt, und damit ist die Erkenntnis fertig […] Erst von dieser universellen Wechselwirkung kommen wir zum wirklichen Kausalitätsverhältnis. Um die einzelnen Erscheinungen zu verstehn, müssen wir sie aus dem allgemeinen Zusammenhang reißen, sie isoliert betrachten, und da erscheinen die wechselnden Bewegungen, die eine als Ursache, die andre als Wirkung. […] In der Tat besteht alles wirkliche, erschöpfende Erkennen nur darin, daß wir das Einzelne im Gedanken aus der Einzelheit in die Besonderheit und aus dieser in die Allgemeinheit erheben, daß wir das Unendliche im Endlichen, das Ewige im Vergänglichen auffinden und feststellen. Die Form der Allgemeinheit ist aber Form der Insichabgeschlossenheit, damit Unendlichkeit, sie ist die Zusammenfassung der vielen Endlichen zum Unendlichen.“ (Engels: Dialektik der Natur)

Lenin bringt es in der Kernfrage auf den Punkt: „Identität der Gegensätze […] bedeutet Anerkennung (Aufdeckung) widersprechender, einander ausschließender, gegensätzlicher Tendenzen in allen Erscheinungen und Vorgängen der Natur (darunter auch des Geistes und der Gesellschaft). Bedingung der Erkenntnis aller Vorgänge in der Welt in ihrer „Selbstbewegung“, in ihrer spontanen Entwicklung, in ihrem lebendigen Leben ist die Erkenntnis derselben als Einheit von Gegensätzen. Entwicklung ist „Kampf“ der Gegensätze.“ (Lenin: Zur Frage der Dialektik)

Die Aussage Lenins, solange es Natur und Gesellschaft gebe, werde durch den den Dingen innewohnender Kampf der Gegensätze auch immer Bewegung stattfinden, kulminiert Vorsitzender Mao Tse-Tung in der Aussage: „Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte der ununterbrochenen Vorwärtsentwicklung aus dem Reich der Notwendigkeit ins Reich der Freiheit.“ Engels leitet diese Freiheit her und erläutert sie, indem er sich auf Hegel bezieht: „Blind ist die Notwendigkeit nur, insofern dieselbe nicht begriffen wird. Nicht in der geträumten Unabhängigkeit von den Naturgesetzen liegt die Freiheit, sondern in der Erkenntnis dieser Gesetze und in der damit gegebenen Möglichkeit, sie planmäßig zu bestimmten Zwecken wirken zu lassen. Es gilt dies mit Beziehung sowohl auf die Gesetze der äußern Natur wie auf diejenigen, welche das körperliche und geistige Dasein des Menschen selbst regeln – zwei Klassen von Gesetzen, die wir höchstens in der Vorstellung, nicht aber in der Wirklichkeit voneinander trennen können. Freiheit des Willens heißt daher nichts andres als die Fähigkeit, mit Sachkenntnis entscheiden zu können. Je freier also das Urteil eines Menschen in Beziehung auf einen bestimmten Fragepunkt ist, mit desto größerer Notwendigkeit wird der Inhalt dieses Urteils bestimmt sein … FREIHEIT BESTEHT ALSO IN DER, AUF ERKENNTNIS DER NATURNOTWENDIGKEITEN GEGRÜNDETEN, HERRSCHAFT ÜBER UNS SELBST und über die äußere Natur.“ (Engels: Anti-Dühring)

Lenin führt zu dieser Frage aus und erklärt, dass das Kriterium für die Wahrheit die Praxis sein muss und (wie Engels), dass diese, durch die Praxis bestätigte, Wahrheit absolut, ewig ist: „Bei Engels bricht die ganze lebendige menschliche Praxis in die Erkenntnistheorie selbst ein, wobei sie das objektive Kriterium der Wahrheit gibt: solange wir das Naturgesetz nicht kennen, das neben unserem Bewußtsein, außerhalb unseres Bewußtseins existiert und wirkt, macht es uns zu Sklaven der „blinden Notwendigkeit“. Sobald wir aber dieses Gesetz, das (wie Marx tausendmal wiederholte) unabhängig von unserem Willen und unserem Bewußtsein wirkt, erkannt haben, sind wir die Herren der Natur. Die Herrschaft über die Natur, die sich in der Praxis der Menschheit äußert, ist das Resultat der objektiv richtigen Widerspiegelung der Erscheinungen und Vorgänge der Natur im Kopfe des Menschen, ist der Beweis dafür, daß diese Widerspiegelung (in den Grenzen dessen, was uns die Praxis zeigt) objektive, absolute, ewige Wahrheit ist.“ (Lenin: Materialismus und Empiriokritizismus)

Zusammenfassend kann daher gesagt werden: Solange die Menschheit die objektiven Gesetzmäßigkeiten die existieren nicht erkannt hat, ist sie nicht in der Lage, diese zu verändern, sondern ist im Gegenteil lediglich ein Objekt, das durch letztere bewegt wird. Erst wenn der Mensch in der Lage ist, in seinem Bewusstsein zu einer Erkenntnis darüber zu kommen nach welchen Regeln sich bestimmte Aspekte der Welt bewegen, kann er diese effektiv benutzen. Weil der Mensch beispielsweise ein Verständnis davon entwickelt hat, wie (ein wichtiger Teil der) Naturgesetze funktionieren, ist er in der Lage die Natur zu beeinflussen und zu beherrschen. Gleichfalls ist das Proletariat erst mit der Erkenntnis über die Bewegungsgesetze der Gesellschaft, d.h. mit der allgemeinen Vorwärtsentwicklung auf Basis des Kampfs der Widersprüche, in die Lage versetzt die Gesellschaft seinen und den Interessen der gesamten Menschheit entsprechend derart zu verändern, dass die Klassen aufgehoben und die Vorgeschichte der menschlichen Entwicklung beendet wird. Nunmehr haben wir immer noch keine explizite Antwort gefunden auf die Fragen, die wir eingangs gestellt, aber wir haben die marxistische Philosophie in ihren Wesenszügen dargelegt und wichtige Fragen, wie die Notwendigkeit der Bestätigung der Theorie durch die Praxis, gestreift. Ein darüber hinausgehendes und ausführlicheres Studium dieser Fragen ist allerdings von absoluter notwendig. Die Lektüre vor allem der Betrachtung der philosophischen Ausarbeitungen Mao Tse-Tungs muss daher große Bedeutung beigemessen werden. Der Vorsitzende Mao Tse-Tung hat auf dem Gebiet der Philosophie drei für uns an diesem Punkt besonders herausragende Leistungen vollbracht. Zum einen „entwickelte er das Herzstück der Dialektik, das Gesetz des Widerspruchs weiter“, zum zweiten seine „meisterhafte Anwendung des Gesetzes über den Widerspruch auf die Politik“ und schließlich „gab er die Philosophie den Massen zurück.“ (KPP: Über den Marxismus-Leninismus-Maoismus) Aus diesen Gründen werden wir uns im folgenden hauptsächlich mit den Werken des Vorsitzenden Mao auseinandersetzen. Der Vorsitzerde Mao Tse-Tung hat sowohl die am weitest entwickelte als auch die am präzisesten artikulierte Definition der marxistischen Philosophie aufgestellt. Einige Demagogen behaupten beharrlich, die Arbeit Mao Tse-Tungs würde sich nicht auf die materielle Grundlage stützen, sondern einfach nur eine Variation des idealistischen Konzepts von Jing und Jang zu sein. Wir haben gezeigt, dass dem nicht so ist. Diese Leute reihen sich damit ein in den Chor der Reaktion ein, der schon immer gegen die Philosophie des Proletariats genau wie gegen seine Entwicklung gehetzt hat. So sagte Lenin über die Feinde des Marxismus: „Die Lehre von Marx stößt in der ganzen zivilisierten Welt auf die erbittertste Feindschaft und den größten Haß der gesamten bürgerlichen Wissenschaft (der offiziellen wie der liberalen), die im Marxismus eine Art „schädlicher Sekte“ erblickt. Ein anderes Verhalten kann man auch nicht erwarten, denn eine „unparteiische“ Sozialwissenschaft kann es in einer auf Klassenkampf aufgebauten Gesellschaft nicht geben. Jedenfalls ist es Tatsache, daß die gesamte offizielle und liberale Wissenschaft die Lohnsklaverei verteidigt, während der Marxismus dieser Sklaverei schonungslosen Kampf angesagt hat. In einer Gesellschaft der Lohnsklaverei eine unparteiische Wissenschaft zu erwarten wäre eine ebenso törichte Naivität, wie etwa von den Fabrikanten Unparteilichkeit zu erwarten in der Frage, ob man nicht den Arbeitern den Lohn erhöhen sollte, indem man den Profit des Kapitals kürzt.“ (Lenin: Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus)

Aber nun zur eingangs gestellten Frage woher die richtigen Ideen kommen und der Antwort, die der Vorsitzende Mao Tse-Tung darauf gibt: „Die richtigen Ideen der Menschen können nur aus der gesellschaftlichen Praxis herrühren, nur aus dem Produktionskampf, dem Klassenkampf und dem wissenschaftlichen Experiment – diesen drei Arten der gesellschaftlichen Praxis.“ (Mao: Woher kommen die richtigen Ideen der Menschen)

Und der Prozess, in dem diese richtigen Ideen entstehen, der wird vom Vorsitzenden Mao Tse-Tung wie folgt beschrieben: „In ihrer gesellschaftlichen Praxis nehmen die Menschen an verschiedenerlei Kämpfen teil, sammeln sie reiche Erfahrungen, solche von Erfolgen und solche von Mißerfolgen. Die unzähligen Erscheinungen der objektiven Außenwelt finden mittels der fünf Sinnesorgane – Augen, Ohren, Nase, Zunge, Körper – ihre Widerspiegelung im menschlichen Gehirn, und das ist zunächst eine sinnliche Erkenntnis. Hat sich das Material dieser sinnlichen Erkenntnis angehäuft, so tritt ein Sprung ein, und die sinnliche Erkenntnis verwandelt sich in eine rationale Erkenntnis, d.h. in die Idee. Das ist ein Erkenntnisprozeß. Es ist die erste Etappe des Gesamtprozesses der Erkenntnis, die Etappe des Übergangs von der objektiven Materie zum subjektiven Bewußtsein, vom Sein zur Idee. Zu diesem Zeitpunkt ist noch nicht bewiesen, ob das Bewußtsein, die Ideen (einschließlich der Theorien, politischen Richtlinien, Pläne, Methoden) die Gesetze der objektiven Außenwelt richtig widergespiegelt haben, es kann noch nicht festgestellt werden, ob die Ideen richtig sind. Darauf folgt die zweite Etappe des Erkenntnisprozesses, nämlich die Etappe des Übergangs vom Bewußtsein zur Materie, von der Idee zum Sein, wo man die in der ersten Etappe gewonnenen Erkenntnisse auf die gesellschaftliche Praxis anwendet, um zu sehen, ob diese Theorien, politischen Richtlinien. Pläne, Methoden usw. zu dem gewünschten Erfolg führen. Allgemein gesagt, ist richtig, was Erfolg bringt, und falsch, mißlingt; das trifft besonders auf den Kampf der Menschheit mit der Natur zu. Im gesellschaftlichen Kampf kommt es manchmal vor, daß die Kräfte, die die fortschrittliche Klasse repräsentieren, Mißerfolg haben, und zwar nicht etwa, weil ihre Ideen unrichtig wären, sondern weil sie, wenn man die im Kampf stehenden Kräfte miteinander vergleicht, zeitweilig noch nicht so stark sind wie die reaktionären Kräfte; daher erleiden sie zunächst Niederlagen, doch werden sie früher oder später siegen. Mit der Überprüfung der menschlichen Erkenntnis durch die Praxis tritt wiederum ein Sprung ein. Dieser ist von weit größerer Bedeutung als der frühere Sprung. Denn nur der zweite Sprung kann beweisen, daß der erste Sprung in der Erkenntnis, d.h. die Ideen, Theorien, politischen Richtlinien, Pläne, Methoden usw., auf die man im Prozeß der Widerspiegelung der objektiven Außenwelt gekommen ist, richtig oder falsch war; es gibt keine andere Methode, die Wahrheit zu ermitteln. […] Zu einer richtigen Erkenntnis gelangt man oft erst nach einer vielfachen Wiederholung der Übergänge von der Materie zum Bewußtsein und vom Bewußtsein zur Materie, das heißt von der Praxis zur Erkenntnis und von der Erkenntnis zur Praxis. Das ist die Erkenntnistheorie des Marxismus, die Erkenntnistheorie des dialektischen Materialismus.“ (ebenda)

Fassen wir kurz zusammen: Der Prozess der Erkenntnis durchläuft zwei Sprünge – von der Praxis zur Erkenntnis und von dort zurück zur Praxis, wobei der wichtigste Sprung der von der Erkenntnis zur Praxis ist. So gelangen wir zu richtigen Ideen. Nur wenn sich unsere Prinzipien aus der praktischen Realität von Millionen von Menschen entwickelt haben und sich ihre Anwendbarkeit und Richtigkeit in den Klassenkämpfen des internationalen Proletariats gezeigt hat, hat sie ihre Korrektheit bewiesen. Jedoch bestünde hierbei noch die denkbare Möglichkeit sich mit der Korrektheit der Idee zufrieden zugeben. Daher müssen wir uns folgendes vergegenwärtigen:

Die marxistische Philosophie, der dialektische Materialismus, weist zwei am meisten hervorstechende Merkmale auf. Zunächst ist sie durch ihren Klassencharakter gekennzeichnet: Sie erklärt offen, daß der dialektische Materialismus dem Proletariat dient: Weiter ist sie gekennzeichnet durch ihre Bezogenheit auf die Praxis. Sie betont, daß die Theorie von der Praxis abhängt, daß die Praxis die Grundlage der Theorie bildet und die Theorie ihrerseits der Praxis dient. […] Die marxistische Philosophie ist der Ansicht, daß die wichtigste Frage nicht darin besteht, die Gesetzmäßigkeiten der objektiven Welt zu verstehen, um die Welt interpretieren zu können, sondern darin, die Kenntnis dieser objektiven Gesetzmäßigkeiten auszunützen, um die Welt aktiv umzugestalten. […] Die Erkenntnis beginnt mit der Praxis, die theoretischen Kenntnisse, die man durch die Praxis erworben hat, müssen wiederum zur Praxis zurückkehren. Die aktive Rolle der Erkenntnis findet ihren Ausdruck nicht nur in dem aktiven Sprung von der sinnlichen Erkenntnis zur rationalen Erkenntnis, sondern auch, was noch wichtiger ist, in dem Sprung von der rationalen Erkenntnis zur revolutionären Praxis.“ (Mao: Über die Praxis)

Eine ausgefeilte Theorie, unabhängig davon wie viel Gedankenarbeit und Papier in sie investiert wurde, ist dem entsprechend nichts wert, wenn sie den wichtigen zweiten Sprung, von der Theorie zur Praxis, nicht schaffen kann. Der marxsche Ausspruch „die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift“ findet seine Wiederbestätigung. Theorien, die also fernab von der Realität der Massen entstehen, die Marx Studium in der British Library für seine größte Leistung halten und auf dieser Basis (der Bibliothek!) angeblich den Marxismus weiterentwickelt und zu einer höheren Stufe synthetisiert haben können daher genau so wenig einen wirklichen Beitrag zur Ideologie des Proletariats beitragen, wie Theorien, die die letzten 60 Jahre des Klassenkampfes ausblenden und von einer Stagnation der Entwicklung der Ideologie ausgehen. Solange es Ausbeutung gibt, werden die Massen immer kämpfen, wird der Erfahrungsschatz der Marxisten immer größer werden und wird sich die Theorie immer weiter der objektiven Wahrheit annähern. Nur „auf dem Wege der Marxschen Theorie fortschreitend, werden wir uns der objektiven Wahrheit mehr und mehr nähern (ohne sie jemals zu erschöpfen); auf jedem anderen Wege aber können wir zu nichts anderem gelangen als zu Konfusion und Unwahrheit.“ (Lenin: Materialismus und Empiriokritizismus) Grade die „Marxisten-Leninisten“ müssten sich nur von ihren subjektivistischen Standpunkt verabschieden und einen nüchternen Blick auf die objektive Realität unserer Klasse richten, um zu erkennen, dass ihr Defätismus, der ein Verrat an der unserer Klasse ist, einer Überprüfung durch die Realität nicht standhält. Betrachten wir die objektive Realität, dann erkennen wir, dass in den letzten 60 Jahren das internationale Proletariat praktische Erfahrungen gesammelt, daraus Schlussfolgerungen gezogen und diese synthetisiert hat. Das nennen wir Marxismus-Leninismus-Maoismus. Schränkten wir aber unser Blickfeld ein, begrenzten wir es auf die BRD und ließen gleichzeitig Erfahrungen des bewaffneten Kampfes, in dem wir sie als Abenteurertum abstempelten (vgl. bzgl. einer korrekten Herangehensweise an diese Frage das Interview mit dem Vorsitzenden Gonzalo: „Was die bewaffneten Aktionen in Europa betrifft, so sehen wir lang währende Kämpfe. Sie spiegeln eine objektive Realität wider, und folglich geht es nicht darum, sie zu verurteilen, sondern sie zu verstehen, zu studieren, zu analysieren und zu sehen, daß sie Ausdruck des Bestehens einer revolutionären Situation auch im alten Europa sind, und mehr noch, daß es Menschen gibt, die zu den Waffen greifen, weil sie verstanden haben, daß das der einzige Weg ist, um die Macht zu ergreifen.“), und andere Kämpfe außer Acht, dann könnten wir tatsächlich zu dem Punkt gelangen, an dem wir behaupten könnten es habe eine Stagnation in der Entwicklung gegeben. Nun denn könnten wir uns „Marxisten-Leninisten“ nennen. Das Problem: Das ist 1. subjektivistisch, weil man die Sache nur von einer und nicht von allen Seiten betrachtet, 2. Sozialchauvinismus, weil so das eigene Land zum Dreh- und Angelpunkt des Universums wird und 3. imperialistischer Chauvinismus, weil dieses Land die imperialistische BRD ist. So liegen die Dinge und nicht anders. Der Vorsitzende Mao Tse-Tung schreibt dazu: „Mit Idealismus und Metaphysik kommt man in der Welt am leichtesten durch; denn man kann dann soviel Unsinn zusammenschwatzen wie man nur will, ohne sich auf die objektive Realität stützen zu müssen und ohne der Prüfung durch diese unterworfen zu sein. Materialismus und Dialektik erfordern hingegen Anstrengungen, da muß man sich auf die objektive Realität stützen und die Prüfung durch diese bestehen; unternimmt man keine Anstrengungen, dann wird man in Idealismus und Metaphysik abgleiten.“ (Mao: Vorbemerkung zu den „Materialien über die konterrevolutionäre Clique Hu Fengs“)

Schließlich wollen wir den Erkenntnisprozess und die dafür notwendigen Methoden zu Ende führen. Dazu betrachten wir die Ausführungen des Vorsitzenden Mao Tse-Tung über das Wesen der Widersprüche und ihrer Entwicklung: „Die Grundursache der Entwicklung eines Dinges liegt nicht außerhalb, sondern innerhalb desselben; sie liegt in seiner inneren Widersprüchlichkeit. Allen Dingen wohnen Widersprüche inne, und diese sind es, die Bewegung und Entwicklung dieser Dinge verursachen. Die Widersprüche, die den Dingen selbst innewohnen, sind die Grundursache ihrer Entwicklung, während der Zusammenhang und die Wechselwirkung eines Dinges mit anderen Dingen sekundäre Ursachen darstellen. […] Die materialistische Dialektik betrachtet die äußeren Ursachen als Bedingungen der Veränderung und die inneren Ursachen als deren Grundlage, wobei die äußeren Ursachen vermittels der inneren wirken. Bei einer entsprechenden Temperatur wird ein Ei zu einem Küken, aber keine Wärme kann einen Stein in ein Küken verwandeln; denn die Grundlage der Veränderung ist bei den beiden verschieden.“ (Mao: Über den Widerspruch)

Daraus folgt zur Methode: „Zur Beurteilung eines Dinges muß man von seinem Wesen ausgehen, seine äußeren Erscheinungen dagegen darf man nur als Wegweiser betrachten, der zu einer Pforte hinleitet. Ist man durch diese Pforte eingetreten, dann muß man das Wesen des Dinges erfassen. Das ist die einzig zuverlässige, wissenschaftliche Methode der Analyse.“ (Mao: Aus einem Funken kann ein Steppenbrand entstehen) und „Lenin sagte: „Um einen Gegenstand wirklich zu kennen, muß man alle seine Seiten, alle Zusammenhänge und, Vermittlungen` erfassen und erforschen. Wir werden das niemals vollständig erreichen, die Forderung der Allseitigkeit wird uns aber vor Fehlern und vor Erstarrung bewahren.“ Wir müssen uns diese Worte Lenins merken. Die Oberflächlichkeit besteht darin, daß man weder die Besonderheiten des Widerspruchs als Ganzes noch die Besonderheiten seiner Seiten in Betracht zieht, daß man die Notwendigkeit leugnet, tief in das Wesen der Dinge einzudringen und die Besonderheiten des Widerspruchs sorgfältig zu studieren, daß man sich mit einer Beobachtung aus der Ferne begnügt, den Widerspruch in groben Umrissen nach der Methode des Über-den-Daumen-Peilens bestimmt und ihn hierauf sofort zu lösen versucht (Frage beantwortet, Meinungsstreitigkeiten entscheidet, Arbeiten verrichtet, militärische Operationen leitet.)“ (Mao Über den Widerspruch) Dies konkretisiert der Vorsitzende Mao folgendermaßen: „Willst du die Theorie und die Methoden der Revolution kennenlernen, mußt du an der Revolution teilnehmen. Alle echten Kenntnisse stammen aus der unmittelbaren Erfahrung.“ (Mao: Über die Praxis)

Das bedeutet in der Revolution erlernen wir, wie wir die Revolution machen müssen, um erfolgreich zu sein. Das bedeutet auch (und das ist für uns heute von noch größerer Relevanz), dass wir nicht Programm und Statut einer Kommunistischen Partei verfassen und anschließend die Partei entsprechend dieser aufbauen können. So stellten wir die Sache auf den Kopf. Nur in mitten des Klassen- und Zweilinienkampfes entwickelt sich die Keimzelle, die in der Lage ist ein Programm für die Partei aufzustellen, sie zu gründen und wahrhaft fortschrittliche Kräfte zu polarisieren. Ohne nennenswerte Praxis, auf Basis von theoretischem Prinzipiengeschacher können zwar Programme geschrieben werden, aber die Grundlage für eine wahrhaft Kommunistische Partei bilden diese mit Sicherheit nicht. Das bedeutet: Keine proletarische Revolution. Das bedeutet weiter: keine Diktatur des Proletariats, keine Aufhebung aller Klassen, keine klassenlose Gesellschaft. Da aber genau das geschichtlich determiniert ist, ist eine Handlung, die sich dieser Notwendigkeit entgegenstellt, nicht nur einfach falsch. Mit diesen letzten Bemerkung, die wir für wichtig halten, weil sich gerade einige Leute anschicken, sich derart falsch zu benehmen, wollen wir schließen und hoffen, wir konnten einen Beitrag zu mehr Klarheit, zu mehr Marxismus in Fragen der Erkenntnis leisten.

 


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