Posted: Mai 8th, 2021 | Author: rotepresse | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #38
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BREMEN
Zu wenig Geld für so viel Arbeitskraft:
Lloyd-Werft & Co. – Die Entlassungen kommen
Die Meldungen mehren sich: Stellenabbau hier, Stellenabbau dort. An unterschiedlichen Orten der Produktion und „Dienstleistung“ wird in Bremen die Kündigung von Arbeitern vorbereitet. Gleichzeitig wird seit Beginn der Krise hauptsächlich in den „Dienstleistungsberufen“ das Arbeitspensum enorm erhöht. Unsere Schuld? Nein? Corona seine Schuld? Kaum. Ein guter Geschäftsmann, sagen die Kapitalisten, muss wissen, wann und wo er sparen muss. Jetzt ist der Zeitpunkt wieder gekommen, wo es viel mehr zu kaufen und zu bezahlen gibt, als gekauft und bezahlt werden kann: Eine Überproduktionskrise. Wer die Schäden davon für sein Unternehmen gering halten will, muss hier und jetzt sparen. Also die „überflüssigen“ Arbeiter nicht mehr arbeiten lassen und dem Rest sagen, er soll höhere Leistung und mehr Arbeit verrichten.
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Posted: April 12th, 2021 | Author: rotepresse | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #37
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HAMBURG
Auspressung leicht gemacht – Corona im Supermarkt
Zwischen halb sechs und zehn vor trudelt die Frühschicht ein. Wir versammeln uns im Pausenraum. Der Filialleiter trägt vorbildlich eine Maske, der Rest scheißt drauf. Es gibt eine Ansage zu Corona. Wir dürfen jetzt nur noch alleine Pause machen. Wenn zwei gleichzeitig Pause machen, dann in unterschiedlichen Räumen. Eine Kollegin fragt sarkastisch: „Aber arbeiten dürfen wir schon noch zusammen?“ Das klingt sehr hygienisch; nebenbei wird uns die einzige Möglichkeit genommen, uns untereinander auszutauschen auf der Arbeit und mal ein längeres zusammenhängendes Gespräch zu führen. Read the rest of this entry »
Posted: März 5th, 2021 | Author: rotepresse | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #36
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NORDRHEIN-WESTFALEN
Krankenhausschliessung inmitten der Pandemie
Zum Jahreswechsel hat das St. Vincenz Krankenhaus in Essen-Stoppenberg seinen Betrieb eingestellt. Einige Monate vorher ist das Marienhospital in Altenessen geschlossen worden. Jetzt gibt es im Essener Norden nur noch ein Krankenhaus, das Philippusstift in Borbeck. Anstelle dass wie zuvor drei Krankenhäuser für die Versorgung der um die 200.000 Einwohner in den nördlichen Bezirken IV, V und VI bereitstehen, gibt es jetzt nur noch das eine. Read the rest of this entry »
Posted: Februar 10th, 2021 | Author: rotepresse | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #35
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HAMBURG
Bismarck und sein Denkmal
Aktuell wird in Hamburg das Bismarckdenkmal restauriert. Daran entbrannte ein Streit darüber, ob man denn noch so ein militaristisches und heroisches Denkmal für einen Politiker wie Bismarck haben wolle. In dieser Debatte werden zwei Dinge verhandelt: Einerseits die Bewertung der historischen Figur Bismarck, andererseits das aktuelle Selbstverständnis deutscher Chauvinisten.
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Posted: Januar 19th, 2021 | Author: Norah | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #34
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FRAUEN
IHR AUSNAHMEZUSTAND BEDEUTET GEWALT GEGEN UNS
Wie jedes Jahr findet am 25. November der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen statt. Die Rote Post hat schon öfters über Gewalt gegen Frauen und auch über den 25. November geschrieben. Aber dieses Jahr ist es noch dringender als zuvor, darüber zu schreiben, was den Frauen widerfährt, denn mit der sogenannten „Coronakrise” hat die Gewalt gegen uns ein neues Ausmaß gefunden. Read the rest of this entry »
Posted: Dezember 9th, 2020 | Author: Norah | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #33
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BREMEN
SCHIKANEN GEGEN GEFLÜCHTETE MÜTTER
Aktuell befinden sich einige afrikanische Mütter in Auseinandersetzung mit dem Bremer Standesamt, da sich dieses weigert, trotz vorliegenden notwendigen Dokumenten, insbesondere der Vaterschaftsanerkennung, Geburtsurkunden für ihre in Deutschland zur Welt gekommenen Kinder auszustellen. Viele der Väter besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft. Hat ein Elternteil diese, kann das Kind sie auch erhalten, was wiederum in diesem Fall den Aufenthaltsstatus der Mutter verbessert, d.h. die Chancen auf ein Bleiberecht erhöht. Die Mütter werden allerdings unter einen Generalverdacht gestellt, in ihrer Heimat mit anderen Männern verheiratet zu sein und einen falschen Vater anzugeben. Deshalb wird die rechtmäßige Vaterschaftsanerkennung des Vaters angezweifelt bzw. dann ignoriert und die Geburtsurkunde nicht ausgestellt. Ohne diese haben die meisten Mütter und Kinder keine Aussicht auf eine Aufenthaltsgenehmigung. Der Status der Mütter ist „Duldung“, die „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“ für „Personen, die verpflichtet sind, das Bundesgebiet zu verlassen, aber dies aus tatsächlichen, rechtlichen, dringenden humanitären oder persönlichen Gründen nicht können”. Folglich will der deutsche Staat sie früher oder später abschieben. Deshalb ist die Geburtsurkunde für Mutter und Kind die einzige Aussicht auf ein dauerhaftes Leben in Deutschland. Wir haben uns zu diesem Thema mit einer nigerianischen Mutter, die seit kurzem in Deutschland lebt und von dem Thema betroffen ist, unterhalten. Read the rest of this entry »
Posted: November 12th, 2020 | Author: Norah | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #32
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BADEN-WÜRTTEMBERG
INTERVIEW MIT EINER BETROFFENEN VON POLIZEIGEWALT
Rote Post: Du warst letztens am Wochenende draußen mit deinen Freunden und wurdest von den Bullen kontrolliert. Erzähl doch mal, was dort passiert ist.
Gali: Wir waren draußen mit ein bisschen Wein und einer Musikbox. Nach so ungefähr zwei Stunden kam ein Streifenwagen, der uns unter dem Vorwand von Corona-Maßnahmen kontrollieren wollte. Einer der Polizisten hat sich über meinen nicht-deutschen Nachnamen lustig gemacht und mich während der Personalienaufnahme weiter schikaniert, indem er meinte, ob ich es denn schaffe, meinen Namen zu buchstabieren. Weil er mich auch noch gefragt hat, ob ich überhaupt einen deutschen Pass habe, nur weil ich eine schwarze Frau bin, habe ich ihn darauf angesprochen, warum er so rassistische Kommentare macht. Er wollte mich dann durchsuchen, was ich verweigert habe, weil ich keine Straftat begangen habe. Als er seine Kamera angemacht hat, habe ich ihn gefragt warum er mich einfach kontrolliert und filmt. Weil er mich unbedingt durchsuchen wollte, hat er dann zwei weitere Streifenwagen gerufen.
Als mich eine Polizistin greifen wollte, bin ich zurückgewichen, und dann ging alles ziemlich schnell und ich lag auf dem Boden. Ich hatte Knie im Bauch, ein Polizist hat sich auf meine Schultern gesetzt und mein Kopf wurde, als ich schon auf dem Boden lag, gegen den Boden geschlagen. In der Zwischenzeit waren weitere Polizeiautos da und es saßen acht Bullen auf mir drauf. Ich hab die ganze Zeit geheult und geschrien, dass mir alles weh tut. Sie haben mir dann Hand- und Fußfesseln angelegt und mich gegen das Polizeiauto gepresst. Dann wurde ich auf die Polizeiwache gebracht.
Auf der Wache haben Sie mich dann erst mal wieder auf den Boden geworfen und mit Händen und Füßen an einen Stuhl gefesselt. Als ich gefragt habe, warum ich wie ein Schwerverbrecher behandelt werde, haben sie gesagt, ich wäre selber schuld, weil ich nicht wüsste, wie man sich benimmt. Auf der Wache habe ich den anderen Polizisten von den rassistischen Beleidigungen berichtet, woraufhin sie meinten, dass das doch gar nicht möglich sei. Die Bullen auf der Wache bestanden darauf, dass der erste Beamte alles richtig gemacht habe. Meine Mutter musste mich dann abholen und ich wurde nach Hause geschickt. Sie zählten auf, wegen was sie mich anzeigen wollen. Unter anderem meinten sie, dass ich gegen das Auto, gegen das sie mich gedrückt haben, getreten hätte und ich dafür angezeigt werden soll. Ich hatte das Gefühl, dass Sie mir nur Angst machen wollten.
Rote Post: Habt ihr versucht, den Konflikt zu dokumentieren?
Gali: Meine beste Freundin war auch dabei und wollte das alles filmen. Aber die Cops sind auf sie zugekommen und meinten zu ihr, sie würde die Polizeiarbeit behindern und deswegen bestraft werden. Außerdem drohten Sie damit, das Handy zu konfiszieren. Sie und alle Passanten, die sich das angeschaut haben, mussten den Platz verlassen. Ich hatte auf der Wache einen der Bullen gefragt, warum die alle weggeschickt wurden. Er hat offen zugegeben, dass sie nicht wollten, dass es Zeugen gibt. So nach dem Motto: „Dann hätten wir dich nicht verprügeln können.“ Während die Cops uns verboten haben, zu filmen, haben sie natürlich alles gefilmt mit ihren Bodycams. Das ist einfach nur beängstigend, dass sie richtig zuschlagen können und das Ganze auch noch selber filmen.
Rote Post: Hattest du nach diesem Vorfall nochmal Kontakt mit der Polizei?
Gali: Zwei Mal kam die Kripo unangekündigt bei mir und meinen Eltern Zuhause vorbei. Sie haben mich dazu gedrängt, einen Zettel zu unterschreiben, in dem sie behaupten, sie hätten mich über meine Rechte aufgeklärt. Ein jüngerer Bulle hat mich dann auch nochmal angerufen, damit ich nochmal erzähle, was passiert ist. Die ganze Zeit wollte er ein Geständnis aus mir rausquetschen. Die Fragen waren absichtlich so gestellt, dass ich mich einfach nur belaste, wenn ich sie beantworte.
Rote Post: Hattest du schon mal ähnliche Erlebnisse mit der Polizei?
Gali: Drei Wochen davor wurde ich schon mal von den Cops aufgehalten wegen Corona-Kontrollen. Dabei zeigten sie durch rassistische Äußerungen ihr wahres Gesicht. Als ich 13 war, habe ich mal meine Straßenbahnfahrkarte vergessen und wurde dann von den Kontrolleuren mit in deren Büro genommen. Dort sollte ich meinen Namen aufschreiben, als ich das gemacht hatte, haben sie gesagt, dass sie jetzt die Polizei rufen müssen. Ein Polizist hat mich dann dort vor Ort auf den Toiletten kontrolliert. Sie haben mir erklärt, dass sie mich mitnehmen müssen auf die Wache. Als ich mich aber geweigert habe und einfach von meiner Mutter abgeholt werden wollte, haben sie mir Handschellen angelegt und mich auf den Boden geworfen. Ein 13-jähriges Mädchen! Auf der Wache haben sie mich dann wegen eines Fahrscheins in eine Einzelzelle gesteckt. Meiner Mutter haben sie dann extra nochmal die Zelle gezeigt um ihr Angst zu machen.
Rote Post: In letzter Zeit hört man immer häufiger von vergleichbaren Erlebnissen und wie sich Jugendliche dagegen wehren. Woran glaubst du liegt das?
Gali: Man sieht wie der Staat den Bullen die Freiheit gibt, alles zu machen, ohne dafür belangt zu werden. Offensichtlich gibt es systematischen Rassismus, was man ja daran sieht, dass immer nur Ausländer kontrolliert werden. Weil viele Jugendliche davon betroffen sind, kommt es zu diesen Aufständen wie zum Beispiel in Stuttgart oder Frankfurt. Was dazu kommt ist die aktuelle Krise und die Probleme, die für die Massen daraus resultieren. Die Hälfte von meiner Abschlussklasse hat zum Beispiel keine Ausbildungsstelle gefunden. Die Lage spitzt sich ja auch nicht nur in Europa zu und die Leute merken, dass es nicht mehr weitergehen kann wie bisher. Deshalb bewegt sich gerade so viel und der Staat übt so massiv Gewalt aus.
Posted: Oktober 1st, 2020 | Author: Norah | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #31
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FRAUEN
DER AUSNAHMEZUSTAND SCHADET UNSEREN KINDERN
Nach Wochen, die wir zuhause eingepfercht wurden, füllen sich endlich wieder die Spielplätze. Der Ausnahmezustand wurde gelockert, natürlich erst einmal unter Vorbehalt. Für die meisten Mütter, mit denen ich mich auf den Spielplätzen unterhalte, bedeutet dies vorerst das Ende einer massiv belastenden Zeit. Sie alle erzählen davon, wie ihre Kinder in der Zeit des richtig krassen Ausnahmezustandes nicht mehr zur Schule oder in den Kindergarten durften, wodurch ihnen die tägliche Routine verloren ging. Auch, dass den Kindern der Umgang mit ihren Freunden verboten wurde, sorgte mit dafür, dass es unseren Kindern immer schlechter ging. Mit der Zeit wurden ihre Kinder immer unruhiger, wussten nicht mehr, wohin mit ihrer Energie und stritten sich häufiger mit ihren Geschwistern. Die Kinder, die schon zur Schule gehen, waren total gestresst davon, so viel Lernstoff alleine bewältigen zu müssen, und verloren irgendwann komplett die Motivation.
Von vornherein war doch klar, dass sich der Ausnahmezustand negativ auf unsere Kinder auswirken würde. Und das hat jetzt auch eine Studie des Hamburger Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf bestätigt. Die Ergebnisse der COPSY (Corona und Psyche)-Studie sind so deutlich, dass selbst die verantwortlichen Wissenschaftler erschrocken sind. Bei der Studie wurden etwa 2500 Kinder und Eltern befragt, wie sie die aktuelle Situation empfinden, und die Ergebnisse zeigen ganz klar, wie belastend die Situation für unsere Kinder ist.
71 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen fühlen sich durch die Maßnahmen äußerst belastet. Zwei Drittel von ihnen geben eine verminderte Lebensqualität und ein geringeres psychisches Wohlbefinden an, was eine Verdopplung zu der Zeit vor dem Ausnahmezustand darstellt. Für zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen sind die Schule und das Lernen anstrengender als vor dem Ausnahmezustand. Sie haben Probleme, den schulischen Alltag zu bewältigen und empfinden diesen teilweise als extrem belastend.
Das Risiko für psychische Auffälligkeiten steigt von rund 18 Prozent vor den Corona-Maßnahmen auf 31 Prozent während der Krise. Die Kinder und Jugendlichen machen sich mehr Sorgen, um die 20 % der Kinder zeigen Auffälligkeiten wie Hyperaktivität, emotionale Probleme und Verhaltensprobleme. Und die Auswirkungen sind nicht nur psychisch, sondern auch körperlich.
Und dann kommt das besonders Interessante, nämlich, dass die Forschung belegt, dass es zwischen den Kindern verschiedener gesellschaftlicher Klassen deutliche Unterschiede gibt. So heißt es:
„Vor allem Kinder, deren Eltern einen niedrigen Bildungsabschluss beziehungsweise einen Migrationshintergrund haben, erleben die Coronabedingten” Veränderungen als äußerst schwierig. Fehlende finanzielle Ressourcen und ein beengter Wohnraum führen ebenfalls zu einem hohen Risiko für psychische Auffälligkeiten. Mangelnde Rückzugsmöglichkeiten und fehlende Tagesstruktur können besonders in Krisenzeiten zu Streit und Konflikten in der Familie führen.”
Da steht es: Unsere Kinder leiden besonders darunter. Mit „niedrigen Bildungsabschluss” und „Migrationshintergrund“ sind wir, die Arbeiterklasse in diesem Land, gemeint. Wir haben keinen großen Garten, in dem unsere Kinder spielen können. Unsere großen Kinder müssen auf die Kleinen aufpassen, weil wir kein Homeoffice machen können. Dass die Kinder, deren hauptsächliche Möglichkeit, um sich zu bewegen und Freunde zu treffen, der Spielplatz ist, während Spielplatzschließungen unausgelastet sind, ist klar. Natürlich sind die Kinder total überfordert mit der Situation und kommen schlecht klar.
Nach dem bisherigen Erkenntnisstand ist der Verlauf einer ohnehin relativ unwahrscheinlichen Erkrankung infolge einer Corona-Infektion bei Kindern im Allgemeinen sehr milde. Unsere Kinder leiden also grundlos unter all den Maßnahmen, die man gegen sie richtet. Ihnen wurde der Sportclub, das Jugendzentrum – jede Möglichkeit, sich legal zu treffen, genommen. All dies wird entschieden, ohne, dass sie jemals dazu gefragt oder zu Wort gekommen lassen werden. Und da sind wir Eltern auch mit für verantwortlich. In dieser Gesellschaft wird so getan, als wären Kinder nicht in der Lage, die Situation, die aktuell vor sich geht, zu begreifen und selbstständig Entscheidungen zu treffen. Kinder sind aber keine hilflosen Wesen, die vor der Realität geschützt werden müssen. Sie verstehen es sehr gut, wenn etwas falsch läuft und sie haben das Recht, dies festzustellen und Lösungen für die Probleme zu finden. Jeden Tag sehen die Kinder doch in ihrer Nachtbarschaft, dass es nicht nur ihnen allein schlecht geht, sondern, dass die anderen das Gleiche erfahren. Wenn das Jugendzentrum also wieder schließt, betrifft das viele Kinder. Warum sollten sich die Kinder dagegen nicht zusammentun und sich austauschen über die konkreten Probleme und diskutieren, wie man z.B. die Forderung, dass das Jugendzentrum wieder aufmacht, durchsetzen kann? Wieso sollten sie sich nicht organisieren? Genügend Probleme gibt es auch bei den Kindern. Schlechte und kaputte Spielplätze, Schimmel in den Schulräumen, dass der Sportverein dicht macht oder dass unsere Kinder grundlos von der Polizei kontrolliert werden. Diese ganzen Dinge richten sich direkt gegen unsere Kinder und das merken sie auch. Und eigentlich immer steckt in den Kindern der Drang, gegen diese Ungerechtigkeiten vorzugehen und so steckt in ihnen auch der Drang, die Ausbeutung und Unterdrückung zu bekämpfen.
Unterschiedliche Menschen haben ihre Organisationen: Arbeiter, Frauen, Studenten usw. Warum sollten Kinder nicht ein Recht Organisationen haben, in denen sie dafür kämpfen, dass nie wieder jemand ausgebeutet und unterdrückt wird. Kinder können das sehr gut verstehen und dadurch, dass sie so wenig, im Vergleich zu uns Erwachsenen, von dieser alten Gesellschaft mitbekommen haben, auch andere, neue Ideen entwickeln. Gerade jetzt, wo stürmische Zeiten anstehen, ist es wichtig, sie darauf vorzubereiten. Dazu fällt mir eine Stelle aus dem Buch „Die Hälfte des Himmels ein“ (in RoPo-Ausgabe #26 wurde dazu eine Rezension dazu veröffentlicht), die mich tief beeindruckt hat; die Autorin [Claudi Broyelle] beschreibt dort folgend:
„Das erinnert mich an jenen kleinen Vietnamesen, den wir in einem Bericht über Nordvietnam im Fernsehen gesehen hatten; man sah die Kinder beim militärischen Training, wie sie lernten, eine Granate zu entsichern, sich organisierten, um ohne Panik in den Bunker zurückzukehren, etc. Der Journalist hatte gefragt: „Aber findest du, dass das die richtigen Beschäftigungen für ein Kind sind, diese militärischen Vorbereitungen? Und das Kind hatte geantwortet: „Glauben Sie, dass die amerikanischen Bomben die Kinder verschonen werden? Glauben Sie, dass die Kinder außerhalb des Krieges bleiben können, wenn das ganze Land angegriffen wird? Nein! Darum ist es wichtig, dass die Kinder bewaffnet werden und lernen, dem Aggressor Widerstand zu leisten.””
Auch die aktuellen Beispiele der Volkskriege, der nationalen Befreiungsbewegungen kurz, überall wo für die gerechte Sache gekämpft wird, beteiligen sich Kinder und Jugendliche. Und machen wir uns nichts vor, eine Revolution ist nichts gemütliches und sanftes, und es ist notwendig, die Kinder darauf vorzubereiten. Und vielleicht sind sie auch die Generation, die das Glück haben wird, eine andere, eine neue Gesellschaft zu erleben. Um diese zu erkämpfen und aufzubauen, müssen wir unseren Kindern das Recht zugestehen, sich aktiv an der Revolution zu beteiligen und sich in den Reihen des Proletariats zu organisieren.
Anteil der 11- bis 17-jährigen Befragten (COPSY-Studie) mit Symptomen
Posted: September 3rd, 2020 | Author: Norah | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #30
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BREMEN
NEUE AUFGABEN – DREI MASSENKÄMPFE IN BREMEN
Wir befinden uns in mitten der größten ökonomischen Krise des Imperialismus seit Ende des 2. Weltkriegs, wie nicht allzu wenige bürgerliche Politiker und Ökonomen betonen. Überall schießen neue Kämpfe der Massen aus dem Boden, für die Revolutionäre in der BRD gibt einen Berg neuer Aufgaben. Die Situation ist – das ist keine Übertreibung – so explosiv, dass manchem die Orientierung verloren geht. Daher wollen wir an dieser Stelle drei lokale Beispiele geben, welche unterschiedlichen Formen die Kämpfe der Massen haben können und wie die Revolutionäre in ihnen wirken und ihren Blick für sie schärfen können. Schaffen es die Revolutionäre nicht, die mannigfaltigen gerechtfertigten Forderungen der Massen aufzugreifen und mit dem gesamten Kampf des Proletariats und des Volkes zu verbinden, werden sie den Massen hinterher laufen.
Kioske gegen den neuen Ausnahmezustand
Beginnen wir mit der Situation im Steintorviertel. Mitte Juni verhängte Innensenator Ulrich Mäurer für Bremens „Ausgehzonen“ eine Sperrstunde, mit einem einhergehenden Verkaufs- und Ausschankverbot von Alkohol für Kioske und Supermärkte in diesen Gebieten am Wochenende. Und ganz plötzlich wurde in der bürgerlichen Lokalpresse auch mal über die Situation im Viertel berichtet, allerdings nur in Form von Diffamierung der Feiernden als „Corona-Idioten” usw. und als Stimmungsmache für die Sperrstunde. Mäurers Plan ist nun also nicht, die Lage im Viertel eskalieren zu lassen, sondern eine Bullenbesetzung im Steintorviertel
„Politik der Nadelstiche”. Der Ausnahmezustand wird offiziell etwas gelockert, dafür wird die Sperrstunde eingeführt, die Bullenpräsenz im Viertel abermals erhöht, gleichzeitig dürfen Polizei und Ordnungsamt in den öffentlichen Verkehrsmitteln, die Maskenpflicht kontrollieren. Eine faktische Normalisierung des Ausnahmezustands, der durch dezentralisiertere Maßnahmen gewährleistet wird.
Nun zu der Situation der Kioske. Besonders zwischen dem Ziegenmarkt und der Sielwallkreuzung ist der Verkauf der Läden (und das sind nicht wenige) aufgrund der hohen Frequentierung durch Feiernde am Wochenende auf alkoholische Getränke ausgerichtet. Und die bekommen die Sperrstunde jetzt richtig zu spüren, gerade als es wieder etwas bergauf ging. Und die meisten im genannten Bereich sind sich sicher: Wenn das jetzt länger so durchgezogen wird, dann gehen sie pleite. Ist das nicht genau das, was in dieser Krise die ganze Zeit geschieht? Die Kleinen zerstören, die Großen stärken.
Was bedeutet das für die Entwicklung des Kampfes im Steintorviertel? Wir haben viele kleine Gewerbetreibende, die Angst um ihre Läden haben, sich von der Politik verarscht fühlen und das auch offen so sagen. Gegen die Vertreibung der ansässigen Läden, gegen die Schikane auf den Straßen, gegen die Spaltung (Kneipen und Lokale gegen Kioske, alte konservativere gegen neue Kneipen, alle gegen die „Biertrinker auf der Kreuzung“). Revolutionäre schrieben in diesem Sinne in einem Flugblatt, das von vielen betroffenen Kiosken aufgehangen und ausgelegt wurde:
„…Doch Fakt ist, dass die Sperrstunde nur der erste Schritt war. Was noch folgt, wissen wir noch nicht. Bisher sind die Kneipenwirte z.B. noch nicht so sehr betroffen von den aktuellen Maßnahmen. In Kneipen darfimmerhin weiter Alkohol ausgeschenkt werden. Doch es ist gut möglich, dass sich die nächsten Schritte gegen die Kneipen richten. Wenn man sich in der jetzigen Situation spalten lässt, tut man der Bremer Regierung und den großen Unternehmen nur einen Gefallen. Doch wenn man zusammensteht, ist man tatsächlich in der Lage, sich gegen ihre Maßnahmen zu wehren…”
So wird die Spaltung zwischen den unterschiedlichen Gewerbetreibenden zurückgewiesen, die die Stadt ausnutzen will und gleichzeitig der Kampf der Kioskbetreiber mit dem Kampf gegen den Ausnahmezustand verbunden.
Polizeimord in Gröpelingen
Inmitten der angeheizten Lage erreichte uns eine traurige und erzürnende Nachricht aus Gröpelingen. Bei einer Zwangsräumung seines Kellers am 18. Juni wurde der 54-jährige Marokkaner Mohamed I. von Bullen erschossen. Mohamed hatte psychische Probleme, so starke, dass er oft nicht einmal mehr seine eigene Tochter erkennen konnte. Er brauchte Hilfe und hat sie nicht bekommen. Bei der Räumung rückten vier junge Polizisten, zwei davon in zivil, an. Auf einem Video, dessen Weiterveröffentlichung die Polizei zu unterlassen gebeten hat, zeigt sich das gesamte Vorgehen: Mohamed steht, durch die angerückten Bullen, die Schusswaffen auf ihn richten, offensichtlich eingeschüchtert mit einem Messer in der Hand im Innenhof. Er wird durch die nervösen Beamten in eine Ecke getrieben, aus der es keinen Ausweg für ihn gibt. Ihm wird Pfefferspray ins Auge gesprüht, er verliert die Orientierung, läuft vor dem Reizgas fliehend in Richtung Polizei und bekommt zwei Schüsse in den Bauch. Im Krankenhaus stirbt er an den Verletzungen. Seine Nachbarn beschreiben Mohamed als zurückgezogen, aber als immer nett und zuvorkommend, nie war er ihnen gegenüber aggressiv.
Eigentlich lässt das Video nicht viele Fragen offen. Die Klatschblätter diffamieren Mohamed trotzdem, ähnlich wie schon den genau ein Jahr zuvor in Essen ermordeten Adel B., als „nordafrikanischen Messermann“. Doch diese Lügenkampagne wurde durch ein Bündnis unterschiedlicher Kräfte zurückgeschlagen. Es wurden schnell kleinere Kundgebungen organisiert, gefolgt von einer größeren Demonstration in der Innenstadt, an der sich ca. 350 Leute beteiligten – organisiert von der Initiative „Justice for Mohamed“, mit der Tochter und der Schwägerin von Mohamed. Dabei wurde das viele, was im speziellen Fall aber auch im allgemeinen falsch läuft, denunziert. Warum schicken die Bullen ausgerechnet zu einem psychisch Kranken ihre jungen, unerfahrenen Leute, warum bis an die Zähne bewaffnet? Warum kommt stattdessen nicht ein Psychologe? Die Kapazitäten sind da. Warum wollen sie die Weiterveröffentlichung des Videos verhindern und gehen jetzt gegen die Person vor, die das Video im Internet veröffentlicht hat? Und wäre das genauso bei einem Deutschen im Bonzenviertel Schwachhausen passiert? Diese Gewalt richtet sich gegen unsere Klasse, insbesondere gegen die tiefsten und breitesten, d.h. oft migrantischen, Massen. Hier müssen die Revolutionäre unmittelbar den Kampf entwickeln. Was bisher gefehlt hat, ist, den Kampf dort auszutragen, wo er hingehört: In Gröpelingen. Die Massen, die ein bisschen mehr von der Geschichte mitbekommen haben, verstehen: Er war einer von uns. Die Parole „Gerechtigkeit für Mohamed!“ muss darum hochgehalten werden, um die mörderische Gewalt der Bullen in den Arbeitervierteln zu denunzieren und um gegen die weitere Militarisierung der Arbeiterviertel zu kämpfen.
Kein Schutz für Spielplätze
Die Frage der Spielplätze haben wir in der letzten Ausgabe bereits angerissen. Ein Schwein legt seit Wochen auf zahlreichen Bremer Spielplätzen Messer aus, die so angebracht sind, dass sie Kinder tödlich verletzen können. Die Polizei kann immer noch keine konkreten Ermittlungsergebnisse aufweisen. Die „SoKo Spielplatz“,die eigentlich für den Fall gegründet wurde, sucht stattdessen lieber nach jemandem, der Drohschreiben an bürgerliche Parteien in Bremen verschickt. Dabei waren Polizei und Ordnungsamt noch zu Beginn des Ausnahmezustands im März und April in der Lage die gesperrten Spielplätze zu überwachen und zahlreiche Strafen gegen Verstöße auszusprechen. Aber jetzt, wo ein Irrer Kinderleben gefährdet, geht das nicht mehr. Sie können die feiernden Leute am Sielwall schikanieren, die können uns in den Arbeitervierteln schikanieren, die können uns erschießen, sie können Spielplätze im Zuge der Aufstandserprobung überwachen und Jugendliche verscheuchen. Aber wenn es darum geht, nachts Spielplätze für die Sicherheit unserer Kinder zu beobachten — Fehlanzeige! Das müssen die Revolutionäre denunzieren. Anderswo herrschen vermehrt noch Illusionen über die „Gutmütigkeit” der Bullen, aber in den Arbeitervierteln haben die meisten Eltern auf den Spielplätzen die Schnauze voll. In Gesprächen mit Müttern vor Ort äußerten sie noch andere Probleme, die sich um die Frage der Spielplätze in den Arbeitervierteln drehen, z.B. der Müll oder die Drogendealer, die sich hier teilweise einrichten.
Zur Forderung nach sicheren Spielplätzen schrieb das Rote Frauenkomitee Bremen in einem Flugblatt, das bei Müttern in Gröpelingen verteilt wurde:
„Die Polizei hängt Zettel mit Warnungen an Spielplätzen auf. Angeblich wollen sie die Spielplätze mehr bewachen, aber was ist passiert? Statt aktiv die Spielplätze zu überprüfen, stellen die Bullen unnütze Behauptungen über den möglichen Täter auf. Das hilft uns aber nicht weiter. Die Spielplätze müssen systematisch nach Messern kontrolliert und geschützt werden. Aber statt dafür genügend Personal bereitzustellen, werden lieber zahlreich Polizisten ins Steintorviertel oder in die Arbeiterviertel geschickt, um die Menschen dort zu schikanieren. Auch hatten die Bullen anscheinend genügend Leute, um einen von uns in Gröpelingen zu erschießen.”
Es wird deutlich wie in Bremen innerhalb kurzer Zeit drei Kämpfe der Massen aus dem Boden geschossen sind. Die bürgerliche Presse richtet ihre Augen auf die Rebellionen in Stuttgart oder Frankfurt am Main, berichtet darüber und hetzt. Aber die täglichen Kämpfe der Massen, wie sie jetzt an vielen Orten verstärkt auftauchen, finden bei ihnen kein Gehör. Die Massen müssen sich selbst Gehör verschaffen und die Revolutionäre müssen zeigen, dass sie diejenigen sind, die es mit ihnen tun und an ihrer Seite stehen. Der Fluss der Massen muss in ein revolutionäres Flussbett geleitet werden. Verstehen die Revolutionäre dies nicht anzupacken mit einer großen Initiative und einer großen Verantwortlichkeit, werden andere Kräfte kommen und den Fluss in andere Bahnen leiten.
Posted: Juni 27th, 2020 | Author: Norah | Filed under: Rote Post | Kommentare deaktiviert für Rote Post #29
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THÜRINGEN
DIE SCHWABE BLEIBT!
Die ehemalige Kulturstadt Weimar ist ständig im Wandel. Vor allem für Touristen wird viel geboten. Kunstfeste, Töpfermärkte und sonstige Events reihen sich schier unaufhörlich aneinander. Und für das Bauhausmuseum werden wie selbstverständlich Ressourcen aufgebracht und Straßen umgeleitet.
Die Wohnkultur und vor allem die gute Kinderstube vieler Vermieter lassen allerdings öfter zu wünschen übrig und so ist so mancher Wandel eine echte Bedrohung für Mieter. Die Bewohner eines Hauses in der Schwabestraße müssen das gerade am eigenen Leib erfahren.
Ihr Vermieter und Eigentümer ihres Wohnraums, die Euphoria GmbH, macht ernst und kernsaniert das Haus, in dem manche der Bewohner schon seit über zehn Jahren leben. Eine Räumungsklage war vorerst erfolglos und wurde vom Amtsgericht Weimar abgewiesen, dennoch setzten sich am Ende die Vermieter durch. Sie haben erfolgreich einen großen Teil der Mieter aus ihren Wohnungen geekelt. Die alten Mietverträge sahen dabei bis zu drei Euro pro Quadratmeter Kaltmiete vor. Nach der Kernsanierung werden die Kaltmieten dabei um die 13€ pro Quadratmeter liegen.
Um den Bewohnern das Leben so unangenehm wie möglich zu gestalten, setzen die Vermieter dabei offene Schikane ein. Sie entkernen die leeren Wohnungen und nehmen in Kauf, dass sich hier Tauben einnisten und alles verdrecken. Mieter berichten davon, dass immer wieder das Wasser abgestellt wird. Die Gasanlage ist bereits vollständig zurückgebaut. Sogar die Sandkiste vor dem Haus musste weichen, da den Miethaien anscheinend sehr bewusst ist, wie wichtig den Mietern das Wohlbefinden ihrer Kinder ist. In einem Fernsehbericht wurde sogar über Löcher in den Zimmerdecken berichtet. Kommentar der Vermieter auf Nachfrage der Reporter: Es sei weiter mit massiven Beeinträchtigungen der Wohnqualität während der Sanierungsarbeiten zu rechnen. So mancher Mieter musste vor dem Terror der Vermieter kapitulieren. Von ursprünglich zwölf Wohnungen des Aufgangs Nr. 9 sind nur noch vier Wohnungen bewohnt.
Ganz allgemein zieht die Veränderung und die vermeintliche Aufwertung vieler Kieze in Weimar eine Spur der Verwüstung hinter sich her. Viele Weimarer können sich erinnern, wie sie sich beim Bäcker um die Ecke ein Käsebrötchen vor der Schule leisten konnten. Doch auf Schüler mit Taschengeld sind die Brot- und Kuchenmanufakturen mit ihren arbeiterfeindlichen Preisen nicht ausgelegt. Konnte man früher so manchen Pimpf mit Schulranzen dabei beobachten, wie er sich am Schaufenster von Waffenseelig die coolen Schwerter und Zierpistolen ansah, reiht sich nun Atelier, Manufaktur, Boutique und Co. aneinander. Sicher, Veränderung ist gut und nicht alles kann immer so weiter gehen. Aber die Veränderungen und Aufwertung und Ausrichtung der Stadt auf Vorzeigetourismus schlägt sich eben auch auf die Lebensqualität der Weimarer nieder.
Konnte man sich in der Nordvorstadt und im Schlachthofviertel noch vor 4-5 Jahren eine annehmbare Altbauwohnung ergattern, kehrt mit dem Bioladen in der Rosenthalstraße schon das nächste Bauprojekt für Eigentumswohnungen ein. Wer dank Kinderzuwachs gezwungen war, in der letzten Zeit umzuziehen, kann den Preisanstieg am eigenen Leib erfahren. Aus was man früher noch eine 4-Raum-WG mit großer Küche bezahlen konnte, wird jetzt nur noch ne kleine Dachgeschosswohnung mit 2,5 Zimmern.
Und schon früher waren die Altbauwohnungen nicht der Hammer! Hohe Heizkosten dank ungedämmter Wand und ausgeleierter Tür stehen auf kaum einem Wunschzetteljunger Wohnungssuchender. Trotzdem versprechen Sanierung und Renovierung der Wohnungen eben nicht unbedingt nur Verbesserung der Wohnqualität, sondern auch höhere Mieten. Und da bleibt man lieber in einer ungedämmten Bude, wo die Fenster knattern wenn ein Bus vorbeifährt. Und gutes Wohnen muss man sich leisten können. Zumal der größte Teil der Bevölkerung mehr als ein Drittel, viele sogar mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Wohnraum allein ausgeben müssen.
Und so ist der Kampf der Mieter aus der Schwabestraße in vielerlei Hinsicht gerechtfertigt. Sie verlieren nicht nur ihre Heimat und müssen sich von einem liebgewonnenen Wohnort trennen, von Nachbarn die zu Freunden wurden, sondern eben auch von einem letzten Überbleibsel bezahlbaren Wohnraums in Weimar.
Vermieter nutzen das Grundbedürfnis der Massen nach einem Dach über dem Kopf aus. Die meisten Menschen werden nie genug auf einmal auf dem Konto haben, um sich eigenen Wohnraum zu kaufen. Sie sind also dazu gezwungen, sich jemanden zu suchen, der Wohnraum besitzt, den er nicht selbst benötigt, und ihn deshalb gegen regelmäßige Zahlung einer Miete zu übertragen. Für den Vermieter hat der Wohnraum nur den Nutzen, als Wertanlage zu fungieren. Als Wertanlage, die man von der reichen Oma geschenkt bekommt oder die einem die reichen Eltern vermachen. In dem Maße, wie es Miethaie wie die Vonovia, Deutsche Wohnen und Konsorten die Sache betreiben, hat es jedoch gar nix mit Altersvorsorgeplänen zu tun. Hier besitzt man nicht zwei Wohnungen, obwohl man nur in einer wohnen kann. Hier gehören hunderttausende Wohnungen in verschiedenen Städten zum Kapital von Wohnungsbaukonzernen. Der Wohnraum ist hier vollkommen unabhängig von seinem Gebrauchswert für die Mieter. Im Gegenteil, oft nutzt er den Konzernen mehr, wenn er leersteht und verfällt. Das Volkshaus in der Ebertstraße und die alte Eisdiele an der Ecke Hummelstraße, Schützengasse sind traurige Beweise dafür.
Die Forderung kann nur sein: Die Wohnungen denen, die drin wohnen! Die Verwertungslogik des Kapitalismus macht alles zur Ware und die Grundbedürfnisse zur _Erpressungsgrundlage unserer Klasse. Die Enteignung der Bonzen, der Schlotbarone wie der Wohnungskonzerne ist notwendige Grundlage für eine bedarfsgerechte, gemeinsam organisierte Versorgung der Menschen. Nur durch die sozialistische Revolution können wir organisieren, dass unser aller Bedürfnisse gemeinsam befriedigt werden können, wenn jeder seinen Teil beitragen kann. Erst wenn wir nicht mehr von den Besitzern der Produktionsmittel und der Wohnungen abhängig sind, erst, wenn sie sich nicht mehr auf unsere Kosten bereichern können, treten wir endlich in einen wahrhaft menschlichen Zustand ein.